Wie man mit dem Auto nach Indien kommt – Teil 5: Grenzen und Korruption

Der Tag der Abreise ist etwas ganz Besonderes. Vergessen sind die unzähligen Stunden der Vorbereitung. Man ist einfach nur froh endlich los zu fahren. Aber vor allem für unerfahrene Weltreisende sind auch dann immer noch Sorgen dabei. Wird alles so klappen wie geplant? Hält das Fahrzeug durch? Komme ich gut über die Landesgrenzen? Wie gehe ich mit korrupter Staatsmacht um? In diesem Artikel habe ich ein paar Tipps und Anekdoten, die euch bestimmt weiter helfen werden.

Für die meisten dieser Erfahrungen musste auch ich Lehrgeld zahlen. Und das war manchmal ziemlich hoch. Erfahrende Weltreisende werden nach dem Artikel wahrscheinlich müde gähnen „Laaangweilig, kenne ich doch alles schon“. Aber all jene, die zum ersten Mal mit dem eigenen Fahrzeug aufbrechen um die Welt außerhalb Europas zu entdecken, denen können folgende Hinweise helfen, das Lehrgeld möglichst gering zu halten. Meine Erfahrungen in diesem Kapitel habe ich auf dem Weg nach Indien gesammelt, auf meiner Reise durch den Balkan, durch den Kaukasus, durch den Iran, durch Zentral- und Südostasien sowie in Indien. Wenn ihr nach Afrika oder Südamerika reisen sollte, kann es durchaus sein, dass die Situationen an Grenzen oder mit Beamten etwas anders sind. Ähnlichkeiten sollten aber erkennbar sein.

An den Landesgrenzen

Innerhalb Europas hätten wir folgende Situationen ohne Corona fast schon wieder vergessen: Stau und Grenzkontrollen. Denn unter „normalen Umständen“ kann man sich im Schengenraum über Landesgrenzen hinweg frei bewegen. Verlässt man diesen, muss man schon etwas Zeit an den Grenzen einplanen, doch innerhalb Europas wird oft nur der Personalausweis geprüft oder man wird sofort durchgewunken. Je weiter man sich nach Osten begibt, desto mehr Zeit sollte man an den Grenzen einplanen. Denn schnell wird es kompliziert. Folgende Hinweise gebe ich daher mit auf dem Weg.

Dieser Grenzübergang hatte es in sich: Grenze Iran zu Turkmenistan

Genügend Zeit einplanen

Nichts hassen Grenzbeamte mehr, als gestresste Touristen. Habt ihr euch ausreichend Zeit eingeplant, dann bringt euch auch der Grenzbeamte nicht in Rage, der im Zeitlupentempo die Reisenden abwickelt. Auch die Wachablösung nehmt ihr dann gelassen hin und eine zusätzliche Fahrzeugkontrolle ist für euch auch kein Problem. Vor allem in den ehemaligen Sowjetischen Ländern ist der Zeitfaktor entscheidend. Hier werden gerne umfangreiche Fahrzeugkontrollen angekündigt, die man natürlich für etwas Handelsware verkürzen kann. Wer wenig Zeit hat, muss bezahlen. Und wer Zeit hat, der muss keine Angst vor langen Kontrollen haben. Denn die Beamten können mit Reisenden, die Zeitdruck haben, viel mehr verdienen, als bei einer schikanierenden Fahrzeugkontrolle. Packt also alles gemütlich aus, lasst euch Zeit, sortiert das Auto um, seid freundlich. Ihr werdet staunen, wie schnell ihr weiterfahren dürft. Mein Tipp: In Zentralasien immer mindestens 3 Stunden für einen Grenzübertritt einplanen. Am Rande Europas kann es auch schon mal ein bis zwei Stunden dauern.

Alle Dokumente sorgfältig aufbewahren

An Grenzübergängen kann es auch mal unübersichtlich oder hektisch werden. Da verliert man schnell den Überblick und verlegt ein Dokument, dass man bei der Ausreise dringend benötigt. Dann droht oft Ärger in Form einer Strafzahlung. Versucht daher wirklich alles, was ihr an Grenzen an Dokumenten bekommt sorgfältig aufzubewahren. Macht Fotos von den Dokumenten, auch die können bei Verlust helfen. Am besten ihr bewahrt alles auch noch nach der Ausreise auf. Ich bekam bei der Einreise von China nach Kirgistan ein Zolldokument, dass ich nachdem ich noch Kasachstan durchquert hatte, zwei Monate später bei meiner Ausreise aus Russland vorzeigen musste. Das gab ziemlichen Ärger. Nur mit viel Glück und langer quälender Wartezeit durften wir Russland in Richtung EU verlassen. Das besagte Dokument fand ich übrigens ein halbes Jahr später in meiner Kameratasche. Also merkt euch immer gut wo ihr die Dokumente ablegt.

Was für ein Glück! Das Grenztor öffnet sich

Trucker um Hilfe bitten

Wenn ihr mit dem eigenen Fahrzeug reist gibt es an jeder Grenze andere Dokumente zum Ausfüllen, unterschiedliche Gebühren zu entrichten oder verschiedene Laufzettel abzuarbeiten. Mein Tipp: Versucht auf Trucker zuzugehen und nach Hilfe zu fragen. Die Berufspendler passieren die Grenze mit Sicherheit nicht zum ersten Mal und können oft auch ein paar Brocken Englisch. Zudem sind die meisten echt sehr hilfsbereit und freuen sich einen verrückten Weltreisenden zu helfen.

Einfuhrbestimmung vorher lesen

In Usbekistan ist die Einfuhr bestimmter Medikamente strengstens verboten. Unter Umständen können gewöhnliche Medikamente auch in eurer Reiseapotheke auftauchen. Entdeckt dies ein Grenzbeamter bei der Einreise, sind die Strafen nicht unerheblich. In anderen Ländern darf man keine Videodrohnen einführen. In anderen kein Obst. Am Ende geht es darum euch dumm zu stellen und die verbotenen Dinge gut im Auto zu verstecken – von Waffen und Drogen distanziere ich mich hier allerdings ausdrücklich. Prüft also unbedingt die Besonderheiten der Verbotsliste für die Einfuhr. Und wenn ihr etwas dabeihabt, dass nicht erlaubt ist, so gebt das auf keinen Fall vorher zu. Ich wurde bei der Einreise in die Ukraine gefragt, ob ich eine Machete dabeihätte. Ich hatte tatsächlich eine dabei, mit der ich gleichzeitig auch Holz sägen konnte – super praktisch und ich war froh die zu haben. Also bejahte ich die Frage. Ergebnis: Zwei Stunden zusätzlich an der Grenze. Ich musste erst auf die Polizei warten, die einen ausführlichen Bericht schrieb wozu ich die Machete brauchte… Letztendlich ging es für mich ohne Machete auf die Weiterreise.

Mutti macht's gelassen an der Grenze: Sodoku
Mutti macht’s gelassen an der Grenze: Sodoku

Tanken

Dieser Abschnitt ist für Reisende interessant, die mit Dieselfahrzeugen unterwegs sind. Alle anderen können zum nächsten Abschnitt springen. Diesel ist auf dem Weg nach Indien nur in zwei Länder etwas schwerer zu bekommen: im Iran und in Usbekistan. Der Grund: Beide Länder produzieren Gas. Viele Fahrzeuge sind auf Autogas umgerüstet. Im Iran tanken fast nur LKWs Diesel, im Usbekistan sind es meistens nur Erntemaschinen. Im Iran bekommt ihr Diesel, wenn ihr euch an Tankstellen an LKW-Fahrer wendet. Diesel ist dort extrem günstig (ca. 10 Cent der Liter). Und um Dieselschmuggel vorzubeugen, braucht man zum Dieseltanken eine Tankkarte. Kraftfahrer leihen euch diese gerne und rechnen auf den Dieselpreis dann noch eine Gefahrenpauschale drauf. Dann kostet der Liter schon mal unverschämte 13 Cent. Aber so kommt ihr gut durch das Land. In Usbekistan ist es schon etwas schwerer. Da muss man sich ordentlich durchfragen, denn Diesel gibt es für euch nur auf dem Schwarzmarkt. Aber auch das kann ein Erlebnis sein. In dünn besiedelten Gebieten sollte deshalb auch immer vorsorglich getankt werden. Bei mir war das Limit 1/3 der Tankfüllung. Von da an habe ich nach Tankstellen gesucht. Achtung: Dieselkanister können auch nur bedingt weiterhelfen. Denn Diesel darf man beispielsweise nicht aus Turkmenistan ausführen. Hier auf jeden Fall wieder die Ein- und Ausfuhrbestimmungen prüfen.

Dieselschwarzmarkt in Usbekistan
Dieselschwarzmarkt in Usbekistan

Korrupte Polizei

Spätestens in den ehemaligen Sowjetländern werdet ihr (negative) Erfahrungen mit korrupten Polizisten sammeln. Es ist fast unmöglich ungeschoren davon zu kommen. Es sei denn ihr geht bei Kontrollen wie folgt vor:

Regel Nummer 1: An Regeln halten

Das kann schon schwer sein, vor allem wenn alle anderen Verkehrsteilnehmer fahren wie sie wollen Aber die kennen meist die Stellen an denen kontrolliert wird – was ihr nicht wissen könnt. Also am besten auch am Tag immer das Licht an, an Geschwindigkeitsvorgaben halten und niemals (ich betone niemals) durchgezogene Linien überfahren. Das gilt in Sowjetstaaten als Totsünde.

Weiterfahren und winken

Gilt nur in Städten oder an Kontrollpunkten, wo die Staatsmacht nicht mit einem Fahrzeug ausgerüstet ist. Einfach freundlich zurückwinken und so tun, als würde man euch nicht anhalten wollen, sondern nur zuwinken werden. In Indien rief ich einem Straßenpolizisten „Diplomat, Diplomat“ zu und zeigte auf das „D“ meines Nummernschildes. Hat immer funktioniert. In Kasachstan lief es allerdings etwas anders. An einem Checkpoint wurde ich rausgewunken, aber dann sehr lange nicht kontrolliert. Also fuhr ich weiter und sah wenige Minuten später dann Blaulicht im Rückspiegel…

Niemals Originaldokumente herausgeben, Freundlich sein, Deutsch reden

Gelangt ihr doch in eine Kontrolle, dann achtet darauf immer nur eine Kopie eurer Dokumente rauszugeben und das Original bei euch zu behalten. Das braucht schon etwas Mut, aber keiner wird euch die Originaldokumente aus der Hand reißen. Seid freundlich, nett und redet Deutsch. „Kopie da – Original hier.“ Sobald ein korrupter Beamter euer Originaldokument in die Hände bekommt, hat er euch in der Hand. „Das Dokument kommt jetzt in die Hauptstadt. Das könnt ihr dann abholen, wenn die Strafe gezahlt wird. Oder wir lösen das Problem hier.“ Ihr könnt euch vorstellen worauf das herausläuft. Wenn ihr freundlich seid, sind auch die Beamten freundlich. Wenn ihr nur Deutsch redet, könnt ihr euch zudem Dumm stellen. In Kirgistan fuhr ich zu schnell (shame on me). Weil ich jedoch nur meinen internationalen Führerschein vorzeigte (den ich sowieso nie brauchte) und mich so Dumm stellte, dass ich selbst das Radarvideo nur staunend mit „Was für ein tolles Auto“ quittierte, wurde ich nach einer halben Stunde einfach wieder fahren gelassen. Auch hier zählt: Wer mehr Zeit hat gewinnt.

Erfinderisch sein

Not macht ja bekanntlich erfinderisch. Das gilt auch bei Straßenkontrollen. Als ein tadschikischer Beamte mir zu verstehen gab, dass es verboten sei, mit getönten Scheiben durchs Land zu fahren (jedes zweite Auto in Tadschikistan hat getönte Scheiben, oft ist sogar die Frontscheibe getönt), zeigte ich ihn eine TÜV-Bescheinigung vom Bullenfänger. Ich durfte weiterfahren. Andere Reisende kopieren ihren Führerschein und lassen die Farbkopie einlaminieren. Bei Kontrollen wird dann immer dieses Dokument abgegeben. Wird das kassiert, kann man ja immer noch weiterfahren. Die tollste Geschichte handelt von Reisenden, die einen russischsprachigen Freund instruiert haben, dass dieser sich bei einem eventuellen Anruf als Botschaftsmitarbeiter ausgeben sollte. Bei einer Verkehrskontrolle, die auf eine saftige Strafzahlung rauslaufen sollte, riefen die Reisenden ihren Freund an und gaben dann das Telefon an den Beamten. Der Freund in Deutschland fragte nach Dienstnummer und Befehlshaber. Eine Delegation der Botschaft sei schon unterwegs, um ein offizielles Verfahren einzuleiten. Wenige Sekunden später konnten die Reise ohne Probleme Fortgesetzt werden.

Der Polizist konnte uns nicht gefährlich werden
Der Polizist konnte uns nicht gefährlich werden

Das waren jetzt ein paar Tipps und Tricks. Habt ihr auch noch Hinweise und Erfahrungen? Lasst es mich gerne wissen!

Im letzten Beitrag dieser Reihe geht es dann um ein oft vernachlässigtes Thema: Das Ankommen in der Heimat nach einer langen Reise. Wie geht man damit um? Wie kommt man aus dem Nachreiseblues schnell wieder raus? Wie kann man die Reise sinnvoll verarbeiten? Mehr dazu dann im nächsten Beitrag.

Weiter zum Thema

Teil 1: Die Idee und erste Vorbereitungen

Teil 2: Das passende Auto, die Reiseroute, Reise in Konvoi (China, Myanmar, Thailand)

Teil 3: Visa, Reisepass, Dokumente für das Auto, Dokumente Allgemein, Geld

Teil 4: Ausbau zum Camper-Jeep

Teil 6 (folgt): Ankommen

Reiseliteratur

Mathias Verfasst von:

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