Wie schnell doch die Zeit beim Reisen vergeht – aber noch schneller vergeht sie im Alltag. Vor fast 4 Monaten standen wir noch bei Juan auf dem Hof und so lang ist auch unser letzter Blogbeitrag her. Also was ist seitdem geschehen? Wie sind wir wieder nach Dresden gekommen? Und was hat die Reise mit uns gemacht?
Wir verlassen meinen Kumpel Juan, um das nördliche Ende Argentiniens anzusteuern. Ganz im Süden waren wir ja schon und im Norden locken die Iguazú-Wasserfälle. Lange überlegen wir hin und her – denn das sind doch nochmal knapp 2.000 Kilometer Umweg – wenn man es mit dem direkten Weg von Cordoba zu unserem Verschiffungshafen Montevideo vergleicht. Auf Touristenmassen haben wir nicht so richtig Lust aber die Iguazú-Wasserfälle sind (und das zurecht) eines der Highlights von Argentinien. Doch der Weg ist ja bekanntlich das Ziel und mal wieder haben wir zwei richtige Leckerbissen am Wegesrand. Die erste Nacht nach Cordoba campen wir in einem kleinen Regionalpark, den wir fast für uns allein haben. Einen der wenigen Camper können wir am nächsten Morgen sogar retten, denn seine Starterbatterie ist tot. Wie gut, dass wir eine kompakte und mobile Starterbatterie haben (die ich jedoch erst finden musste). Ohne Probleme springt der Wagen des argentinischen Campers nun an und ich bin unendlich froh, nachdem uns so oft in diesem Land geholfen wurde, auch mal etwas zurückzugeben.
Als nächstes steuern wir die Ausläufer des Pantanals an – ein gigantisches Feuchtgebiet, dass sich über Argentinien, Paraguay, Brasilien und Bolivien erstreckt. Doch um den Nationalpark zu erreichen, müssen wir erst einmal hunderte Kilometer rot-staubige Piste hinter uns lassen. Wir campieren auf einem schönen gemütlichen Campingplatz direkt am Wasser. Es ist heiß und am liebsten würde man sofort in den großen See springen. Wären da nicht die Kaimane, die es zu hunderten hier gibt. Davon sehen wir sehr viele auf einer privaten Bootssafari. Wir kommen auf nur wenige Zentimeter an die Tiere ran und hoffen, dass unser Guide weiß was er da macht. Zudem gibt es hunderte Wasserschweine und unzählige Vögel. Dazu kommt die unerträgliche Hitze, die sich schon am Morgen übers Land legt. Wir schwitzen in der Hängematte und streicheln eine Hündin, der seit unser Ankunft über unser Lager wacht und sogar mit uns ins Dorf spaziert. Als wir diesen schönen Ort nach zwei Nächten wieder verlassen, schaut die Hündin (Frieda getauft) uns ganz traurig hinterher.
Mal wieder planen wir spontan um. Das Schiff, das unseren Paji nach Hamburg bringen soll, ist stark verspätet. Wir müssen auf ein früheres Schiff umbuchen. Das bedeutet aber auch, dass wir nur noch eine Woche haben, um nach Montevideo zu kommen. Daher lassen wir die Iguazú-Wasserfälle schweren Herzens aus, bekommen dafür aber apäter eine kleine Version der Iguazú-Wasserfälle in Brasilien, die wir ganz für uns allein haben. Aber davon wissen wir zunächst noch nichts. Als letzte Station in Argentinien steuern wir die Macoa-Wasserfälle an – die längsten Wasserfälle der Welt. Aber bei dem hohen Wasserspiegel, fällt das gar nicht so auf, wie wir bei einer abenteuerlichen, an Rafting erinnernden, Bootsfahrt bemerken. Hier war mal wieder das Marketing größer als das Ziel selbst. Die Wasserfälle bilden gleichzeitig auch die Grenze zu Brasilien und nach einigen Offroad-Kilometern durch den schlammigen Regenwald sind wir auch im vorletzten Land auf unserer Reise angekommen: Brasilien.
Dadurch, dass ich 2011/2012 für 6 Monate in Sao Paulo gelebt hatte, wollte ich unbedingt auch nochmal durch dieses Land fahren. Und das zahlt sich auch aus. Denn unser erster Stellplatz hat es in sich. Der soll sich nämlich an einem Wasserfall befinden. Einige holprige Feldwegkilometer vom Abzweig der Hauptstraße entfernt, kommt uns auf einmal ein hupender Kleinwagen entgegen. Mühsam packe ich mein portugiesisch aus und antworte mit einem „Sim“ (ja) auf die Frage, ob wir gerade zu den Wasserfällen fahren und dort übernachten wollen. Uns gegenüber steht nämlich der Campingplatzbesitzer. Der drückt uns kurzerhand den Schlüssel zum Eingangstor in die Hand, erklärt uns, dass er jetzt dringend losmüsse und wo wir den Schlüssel wieder verstecken sollen. Ehe wir uns versehen, haben wir also plötzlich einen Schlüssel in der Hand und stehen allein auf dem Feldweg. Verrückt. Am Campingplatz angekommen sind wir ganz für uns allein. Und der Stellplatz erstreckt sich fast zwei Kilometer entlang eines gigantischen Wasserfalls. Direkt am Wasser lassen wir uns nieder und sind uns einig: Das ist einer der schönsten Stellplätze auf unserer Reise. Aber auch einer der lautesten. Denn das Getose des Wassers ist ohrenbetäubend. Trotzdem bleiben wir ganz spontan eine Nacht länger und genießen die kleinen Iguazú-Wasserfälle für uns allein.
Der nächste Campingplatz ist zwar unspektakulär, dafür hat uns der Besitzer besonders ins Herz geschlossen. Er zeigt uns seinen ganzen Besitz und lädt uns zu einen Glas Cachaça ein, einem landestypischen Schnaps aus Zuckerrohr gewonnen wird und im Caipirinha Einsatz findet. Die Mutter des Campingplatzbesitzers hat eine eigene Cachaceria (Schnaps-Fabrik). Als er wenig später zu uns ans Auto kommt, um die Stellplatzmiete abzuholen, fragt er uns, ob wir denn nicht eine Münze aus unserem Land dabeihätten. In einem Beutel, in dem ich Restgeld aller Länder sammle, finde ich ein letztes 1-Cent Stück. Doch unser Gegenüber scheint Münzsammler zu sein und schaut begeistert auf meine nicht gerade bescheidene Auswahl von Münzen aus der halben Welt. Schnell drück ich ihm einige Münzen, die ich doppelt habe in die Hand. Unser Gastgeber ist beseelt und fragt, wie viel er dafür bezahlen könne. „Nix“ sag ich und sage aus Spaß, dass er doch uns nochmal von seinem Schnaps kosten lassen könnte. Wenig später schenkt er uns die ganze Flasche und zudem noch wertvolle brasilianische Münzen und Geldscheine. So geht das hin und her! Zu unserem Abschied bekommt er von mir nochmal einige besondere Münzen (z.B. aus Laos oder Usbekistan – wer in Brasilien hat schon solche Münzen?) dafür bekommen wir natürlich auch ein ganz besonderes Geldstück inklusive der ausführlichen Geschichte der Fehlprägung und ein Lächeln unseres Gastgebers, das bis über beide Ohren geht.
Unser Stellplatzglück in Brasilien reißt daraufhin nicht ab, denn als nächstes übernachten wir auf einem Weingut. Ja richtig gelesen! Es gibt Wein in Brasilien. Und sogar ziemlich leckeren! Direkt unter den Rebstöcken lassen wir uns den edlen Tropfen schmecken und dürfen sogar hier unser selbstgekochtes Essen verspeisen. Spät Abends haben wir dann das ganze Weingut für uns allein und sitzen bei einer guten Flasche im Lichterkettenlicht unter den Weinstöcken und genießen einfach nur den Augenblick!
Immer näher kommen wir nun unser Ziel Montevideo. In der Großstadt Porto Allegre organisiert Phia uns einen richtig tollen Segeltörn (bei dem wir auch richtig anpacken müssen). Bei einem Wendemanöver (ausgeführt von der grinsenden Phia) purzeln fast die anderen Bootsmitglieder (drei Mädels, die sich unter Segeln was anderes vorgestellt hatten) ins Wasser. Abgerundet wird der Tag durch ein typisches brasilianisches Rodizio (All-You-Can-Eat Restaurant, in dem Fleisch an Spießen serviert wird), toller Live-Samba-Musik, frischen Caipirinhas und dem Fakt, dass das der letzte Tag für mich mit 36 gewesen ist. Einfach nur perfekt!
Und plötzlich sind wir auch schon in Uruguay. Das letzte Wildcamp der Reise finden wir am Strand in einem kleinen Nationalpark. Dann geht es zum letzten Campingplatz unserer Tour. Dort haben wir uns wieder mit Ani und Burt, unseren Container-Buddies, verabredet. 80 KM vor Montevideo galt für uns das „Campo Suiza“ als perfekter Treffpunkt vor der alsbaldigen Verschiffung. Doch bei unserer Ankunft suchen wir vergeblich nach unseren Freunden, die angeblich ja schon da sind. Auch unserer Gastgeberin weiß nichts von einer roten Feuerwehr aus Deutschland. Ein Anruf bringt Licht ins Dunkel! Unsere Freunde sind auf einem Schweizer Campingplatz 80 KM westlich von Montevideo. Wir sind 80 KM östlich. Zufällig gibt es nämlich zwei von Schweizern geführte Campingplätze, die zudem noch gleich heißen. Verrückt!
Schließlich treffen wir Ani und Burt am nächsten Tag, denn wir teilen uns für zwei Nächte ein Apartment in Montevideo. Auch Dainan treffen wir wieder – unser Motorradfreund aus Kanada, der zuvor mit uns von Panama nach Kolumbien verschifft hat und wieder mit uns in den Container kommen will, aber diesmal nach Deutschland. Und wie der Zufall es so will, sind auch Roy und Ellen in der Stadt – unsere Holländer, die wie Dainan mit uns den Container von Panama nach Kolumbien geteilt haben. Ein großes Overlander-Wiedersehen.
Und dann ist der Moment gekommen. Wir müssen Abschied von unserem geliebten Paji nehmen. Vier Wochen wird er nun im Dunklen schmoren, bis er in Hamburg norddeutsche Luft schnuppern kann. Wir sind ab jetzt noch knapp zwei Wochen mit dem Rucksack unterwegs.
Über die schicke uruguayische Stadt „Colonia“ geht es mit der Fähre nach Buenos Aires. Durch die verfrühte Abfahrt des Containerschiffs haben wir statt zwei Nächten ganze 6 Nächte in der Hauptstadt Argentiniens. Und das hat sich mal so richtig gelohnt! Wir flanieren durch die Straßen Palermos, besuchen den berühmten Wochenmarkt von San Telmo, sehen das Grab von Evita auf dem weltbekannten Friedhof in Recolleta und bestaunen die bunten Häuser von La Boca. Dazu gibt es jeden Abend leckeren Wein im Restaurant (eine Flasche kostet im Restaurant zwischen 2 und 5 Euro – da greif auch ich mal zu der teuren Flasche…), essen super lecker von der internationalen Küche (nahezu perfekte Tacos de Pastor und ein geniales Korean BBQ), aber auch die unglaublich leckeren (und hier günstigen) argentinischen Steaks. Krönender Abschluss ist ein Jazzkonzert und eine spektakuläre Tango-Performance. In dieser Stadt hätten wir locker drei Wochen verbringen können!
Die Zeit haben wir aber leider nicht. Von Buenos Aires fliegen wir nach Sao Paulo, kommen dort zwei Nächte in der Wohnung eines Freundes unter (der selbst aber nicht da ist, uns aber den Schlüssel hinterlegt hat) und besuchen dort all die Orte, die damals für mich prägend waren. Auch einen meiner besten Freunde treffen wir in Sao Paulo und verbringen mit Julian und seiner Frau einen wunderschönen Abend.
Mit dem Flixbus (ja, den gibt es auch in Brasilien) fahren wir nun in Richtung Rio und legen einen Urlaubsstopp in der kleinen Kolonialstadt Paraty an der grünen, paradiesischen Küste Brasiliens ein. Doch der Weg dahin ist holprig. Der Busbahnhof von Sao Paulo hat 80 Plattformen, aber nirgends steht, wo welcher Bus abfährt. Dazu ist es mächtig voll. Nur mit viel Fragen, viel Warten (auch hier hat der Flixbus immer Verspätung) und viel Rucksack festhalten (auf den Busstationen kommt gern mal was weg) schaffen wir es aus der Millionenmetropole. Davon müssen wir uns erst einmal erholen. Wir spannen im Boutique-Hotel aus, relaxen am Strand, schlendern durch die koloniale Altstadt und bekommen von meinem Kumpel Gustavo, den ich schon einige Male in Paraty besucht habe, eine ganz private Bootstour durch die Inseln von Paraty – einfach perfekt.
Genauso wie unsere ganze Reise. Und da ist natürlich klar, dass Rio auch nochmal ein richtiges Highlight wird. Phia hat für uns ein tolles Airbnb auf dem Dach eines Hochhauses organisiert. Perfekter Blick auf die Copacabana, den Zuckerhut und den Cristo. All das besuchen wir auch auf unseren letzten Reisetagen und haben einzig auf dem Cristo Pech mit dem Wetter, da dort genau zu unserem Besuch eine dicke fette Wolke hängt. Da rächt sich unsere atheistische Weltanschauung, aber das können wir gerade so verkraften.
Südamerika weint bei unserem Abschied. Auf dem Weg zum Flughafen legt sich ein beständiger Dauerregen übers Land. Auch wir sind etwas traurig. Wir schnell doch diese Reise vergangen ist. Fliegen wir jetzt wirklich schon nach Hause? 13 Stunden später werden wir von einem großen Empfangskomitee samt musikalischer Begleitung in Dresden abgeholt. Unsere ganze Dresdner Familie und drei unser liebsten Freunde stehen da und zeigen uns sehr schnell, wo unsere Heimat ist und wo wir hingehören.
Ja und kurz darauf sind wir schon im Alltag angekommen. Eine Woche nach unserer Ankunft gab es nochmal eine große Willkommensparty, wo auch Phia endlich ihre Lieben aus der Heimat in den Arm schließen konnte. Drei Tage nachdem wir wieder in die perfekt erhaltene Wohnung in Dresden eingezogen sind (an dieser Stelle ein dicker Dank an Conny und Kai! Ihr seid die besten!) muss Phia auch schon auf Arbeit und sich wieder ums Bier kümmern. Und so sind wir schneller als gewünscht wieder in den Alltag gerutscht. So schnell, dass wir erst drei Monate später den Blog abschließen können.
Und wie geht es uns? Manchmal fühlt sich die Reise von Kanada nach Feuerland wie ein ferner Traum an. Ein Traum, den wir wirklich gelebt haben. Wir sind einfach nur glücklich über den Verlauf der Reise, dass wir (und zwei Wochen später auch unser Paji) wieder gesund zurückgekehrt sind und dass auch uns auch unsere Lieben daheim geblieben sind. Wir sind dankbar über die unendlich tollen Begegnungen und die Gastfreundschaft, die wir erfahren durften. Viele Erlebnisse waren zutiefst prägend. Und wir beide haben uns noch viel intensiver kennen und lieben gelernt. Diese Reise war bisher unser größtes gemeinsames Abenteuer. Jeden Tag zehren wir davon. Mal sehen, wann uns das nächste Mal das große Fernweh packt…
Wow, danke für diesen ausführlichewn Einblick und die zahlreichen schönen Fotos!
Sehr toller Beitrag!
Und noch ein Achim! Habe über den „Explorer“ von Eurer Reise erfahren. Und war nicht nur von der beeindruckt, sondern auch von Eurem Auto – denn unserer heißt auch „Paji“! Ein paar Jahre jünger und derzeit in Kampala / Uganda stationiert, wohin wir von Kapstadt aus gefahren sind.
Viele Grüße aus Afrika und auf hoffentlich bald
irgendwo auf dieser Welt!
Achim
Hallo,
haben immer wieder reingeschaut wie es weiter gegangen ist.
Auf euch gekommen bin ich über ein Foto vom Pajero beim Umbau in Nürnberg.
Hätte mir gerne mal die Umbauten angesehen, aber da ward ihr schon unterwegs.
Dass man nicht unbedingt einen Toyota braucht sondern auch ein guter V20 eine Weltreise schafft war mir klar ;-). Freut mich dass ihr gesund und munter wieder im Lande seit,
Gruss
Achim