Wie man mit dem Auto nach Indien kommt – Teil 4: Ausbau zum Offroad-Camper

Das wichtigste ist jetzt geklärt. Die Reiseroute steht, alle Visa und notwendige Dokumente sind organisiert oder in Planung und euer Reisemobil wartet sehnsüchtig darauf endlich loszufahren. Doch etwas fehlt noch – der Fahrzeugausbau. Ihr habt die Wahl: Wollt ihr auf der Reise vorrangig in festen Unterkünften übernachten oder möchtet ihr lieber in der Wildnis campieren? Entsprechend aufwändig kann das Projekt Fahrzeugausbau ausfallen. Denn euer Auto kann auch euer Zuhause sein.

Zu aller erst: Weniger ist mehr. Eine bekannte Weisheit, die auch oft auf das Reisen zutrifft. Und in diesem Fall auch für das Thema Fahrzeugausbau. Als ich meine Reise nach Indien plante, hatte ich eigentlich beim Fahrzeugausbau nur zwei Punkte auf meiner To-Do-Liste: Ein Bett zum Schlafen sollte rein und ein Dachgepäckträger. Also ging ich diese beiden Aufgaben an.

Der Dachgepäckträger / Dachkorb

Ein Dachgepäckträger war mir damals wichtig um das zweite Reserverad, Zusatztanks und eine Kiste für allerhand Krimskrams (der nicht für den täglichen Gebrauch bestimmt war) zu verstauen. Die Auswahl an Dachkörben, die auf meinem Pajero installiert werden können, ist leider sehr überschaubar. Originalträger sind selten und auf dem Gebrauchtwarenmarkt überteuert. Die universellen Dachkörbe aus dem Offroadsegment lagen außerhalb meines Budgets. Da Dachaufbauten nicht vom TÜV abgenommen werden müssen, entschied ich mich für den Weg „Marke Eigenbau“. Aus 20 mm Profilrohren ließ mein Vater von einem befreundeten Schrauber einen Korb nach unseren Plänen schweißen. Daran wurden dann Füße geschweißt, die für die Dachform „Regenrinne“ konzipiert waren. Mit 100 Euro Materialeinsatz hatte ich somit einen maßgeschneiderten Dachkorb für kleines Geld.

Der Dachkorb in Szene gesetzt: Vor dem Nanga Parbat in Pakistan

Das Bett

Da mich auf meiner Reise sehr viele Freunde und Familienmitglieder begleiten wollten, sollte die hintere Sitzbank erhalten bleiben. Gleichzeitig plante ich aber im Auto zu übernachten. Eigentlich aber nur dann, wenn es keine passende Unterkunft geben sollte – so der ursprüngliche Plan… Das Bett sollte also ausklappbar sein. Wieder kamen die Profilrohre und der Schweißer zum Einsatz. Ein solides Gestell wurde gebastelt, das aus zwei Teilen bestand und mit Holzplatten als Liegefläche erweitert wurde. Wenn ich die Sitzbank umgeklappte konnte ich die Liegefläche zusammenstecken. Anschließend wurde eine 5cm starke Matratzenauflage als Polsterung ausgebreitet und das wars. Zwar etwas hart, aber trotzdem konnte ich sehr gut drauf schlafen.

Mit Minimalausstattung geht es los

Damit war das Kapitel Fahrzeugausbau für mich erledigt. Ich schraubte noch zwei Zusatzscheinwerfer an den Dachkorb und als Kochutensilien packte ich Gaskocher sowie Campingzubehör ins Auto. Mit dieser Minimalausrüstung startete ich meinen Trip nach Indien. In den ersten zwei Monaten schlief ich selten im Auto. Bei zwei Mitreisenden war das Autobett auch schon sehr schmal. Doch wenn man sich gut kannte und auch kein Problem damit hatte den Fuß des anderen im Gesicht zu haben, dann konnte man im Auto auch mal zu dritt schlafen. Dennoch bevorzugten wir eher feste Unterkünfte. Ich muss dazu sagen, dass ich vorher wenig Kontakt mit „Overlandern“ hatte. Also Reisende, die mit ihrem Auto um die Welt fahren und gleichzeitig darin wohnten. Ich dachte tatsächlich, dass es kaum Reisende gibt die mit dem Auto um die Welt fahren. Zudem war die „Van-Life-Bewegung“ noch in den Kinderschuhen. Ich konnte mir also nichts abschauen. Für mich war das Auto hauptsächlich eins: Ein Fortbewegungsmittel. Und kein Zuhause. Ich stellte aber schnell fest, dass die Übernachtungen im Auto die Highlights der Reise waren. Je weiter ich mich von Europa entfernte, desto weniger war Wild-Camping ein Problem. In Georgien fand ich in den Bergen Svanetiens einen traumhaften Stellplatz. Im Iran schlugen wir die schönsten Wüstencamps auf. Und spätestens in Tibet war mir klar, dass ich zu wenig in den Fahrzeugausbau investiert hatte. Denn für sechs Wochen reiste ich mit erfahrenen Overlandern durchs Land, die ihr Reisemobil perfekt ausgebaut hatten (nur eine dritte Person konnte keiner mitnehmen – daher fuhr der Guide auch bei mir mit). Fast jede Nacht verbrachten wir im Freien und bezogen nur in den Städten Hotels. Ich staunte über Solar-Panels und ausziehbare Küchen. Und alle anderen staunten über meine minimalistische Ausrüstung und fragten mich, wie ich denn mein Bier kühlen würde (Antwort: Im Gebirgsbach). Alles war sehr minimal, aber trotzdem funktionstüchtig. Und die Momente, in denen ich anderen Gruppenteilnehmern etwas von meiner Ausrüstung leihen konnte, empfand ich dann als echte Genugtuung. Weniger ist mehr. Und auch mit meiner Ausrüstung komme ich gut um die Welt.

Minimalausstattung: Ausklappbett und leichtes Campinggepäck

Doch ich hatte Blut geleckt. Auch ich wollte gerne meine technischen Geräte im Auto laden und somit nicht alle zwei, drei Tage eine feste Unterkunft ansteuern müssen. Auch ich wollte am Auto kochen, ohne meinen klapprigen Campingkocher auf dem Boden aufzustellen. So rüstete ich während der Reise nach: In Bangkok kaufte ich ein 50 Watt Solarpanel und in Kathmandu besorgte ich auf einer zwei-Tages-Einkaufsodyssee mit Hilfe von Bildern der benötigten Bauteile, die ich mir vorher aus dem Internet geladen hatte, alles was ich brauchte um eine autarke Stromversorgung zu installieren. Ich weiß noch wie ich mich feierte, als ich das erste Mal Strom erzeugte! Was für ein Meilenstein! Im indischen Auroville wohnte ich eine Woche in einem Jugendzentrum direkt neben einer Werkstatt. Hier fand ich alles um eine ausziehbare Küche einzubauen. Nun war ich zufrieden. Mehr brauchte ich wirklich nicht.

In Kathmandu baute ich die Solaranlage in den Pajero

Die Ausziehküche mit Gewürzregal war ein echtes Upgrade

Pimp my Camper-Jeep

Nach der Reise ist ja bekanntlich vor der Reise. Ich wusste, dass ich ab jetzt bevorzugt mit dem Auto reisen wollte und das auch gleichzeitig mein Zuhause sein sollte. Also begann ich zu optimieren. Der Fahrzeugausbau wurde zu meinem Hobby. Und jedes Jahr baute ich gefühlt alles noch einmal um. Zuerst folgte eine zusätzliche Box, die vorn an den Dachkorb installiert wurde und ein weiteres 100 Watt Solarpanel trug. Damit hatte ich genügend Power um einen Kompressor-Kühlschrank zu betreiben. Zum ersten Mal sollte ich also am Ende eines langen Reisetages ein kühles Bier haben! Wahnsinn! Im Innenraum entfernte ich die Sitzbank und baute ein Bett, dass seitlich rausgezogen werden sollte. Doch diese Lösung stellte sich als wenig praktikabel heraus und wurde im nächsten Jahr wieder zurückgebaut. Was seitdem allerdings nicht mehr wegzudenken ist: Die Markisen! Endlich bin ich vor Regen geschützt. Mit der Heckmarkise konnte ich sogar am Auto kochen, wenn es regnete. Das Vorzelt, dass ich in die Markise innerhalb von 2 Minuten einhängen konnte, vergrößerte die Wohnfläche mit einem Schlag und macht uns wetterunabhängig.

Wurde schnell wieder verworfen: Das Bett zum seitlichen ausziehen
Wurde schnell wieder verworfen: Das Bett zum seitlichen ausziehen

Die Frau macht es gemütlich
Die Frau macht es gemütlich

150 Watt Solarpower und eine Solardusche mit 25 Liter Inhalt
150 Watt Solarpower und eine Solardusche mit 25 Liter Inhalt

Erweitertes Zuhause
Erweitertes Zuhause

Mit dem Vorzelt haben wir deutlich mehr Platz
Mit dem Vorzelt haben wir deutlich mehr Platz

Kann auch gut als Hundehütte verwendet werden
Kann auch gut als Hundehütte verwendet werden

Inzwischen war ich auch nicht mehr allein unterwegs und die harte Schlafgelegenheit sagte meiner Freundin so überhaupt nicht zu. Also investierten wir in eine klappbare und äußerst bequeme, maßangefertigte Matratze. Zudem bekam Sophia einen kleinen Kosmetik-Schrank, in dem sie ihr gesamtes Waschzeug verstauen konnte. Denn es ärgerte mich vorher immer unglaublich, wenn der volle „Kaktusbeutel“ (ein Stoffbeutel gefüllt mit dem Beautykrams) gefühlt jeden Tag aus dem Auto purzelte und ich grummelnd die Sachen vom Boden aufsammeln musste. Eine Win-win-Situation. Phia gab ab jetzt bei jedem Overlander (meist bei den Frauen der Schöpfung) mit ihrem beleuchteten kleinen Schrank an und ich musste nie wieder Sachen vom Boden aufsammeln.

Das Bett unter den eingeklappten Sitz
Das Bett unter den eingeklappten Sitz

Saubere Verkleidung
Saubere Verkleidung

Die Liegefläche
Die Liegefläche

Neu: Die Faltmatratze
Neu: Die Faltmatratze

Seitenschrank für Klamotten und vor der Beautyschrank
Seitenschrank für Klamotten und vor der Kosmetikschrank

Das Lebensmittelfach. Dahinter: Der Beautyschrank
Das Lebensmittelfach. Dahinter: Der Kosmetikschrank

Das Schubladensystem im Bau
Das Schubladensystem im Bau

Ein Schubladensystem wird integriert
Ein Schubladensystem wird integriert

Schubladensystem: Der Kocher kann auch rausgenommen werden
Schubladensystem: Der Kocher kann auch rausgenommen werden

Kochen mit Aussicht
Kochen mit Aussicht

Alles da und organisiert
Alles da und organisiert

Ein Jahr später kam die wohl größte Anpassung: Ein Aufstelldach. Lange überlegte ich vor diesen Schritt hin und her und machte dann im Frühjahr 2020 ernst. Von einem Spezialisten aus Kempten ließ ich mir den Aufbau anfertigen, der leider auch nicht ganz günstig war. Ab jetzt konnten wir jedoch auch im Auto stehen und aus der Dachluke  sogar vom Bett aus die Sterne beobachten – der pure Luxus. Dafür musste jedoch der selbst angefertigte Dachkorb weichen, der jetzt allerdings einen anderen Pajero auf Reisen begleitet.

Das Aufstelldach im Bau
Das Aufstelldach im Bau

Oben kann man entweder schlafen oder ausgeklappt den Stauraum nutzen
Oben kann man entweder schlafen oder ausgeklappt den Stauraum nutzen

Für uns beiden reicht der Platz aus
Für uns beiden reicht der Platz aus
Der 30 Liter Frischwassertank wird von einer Pumpe angezapft
Der 30 Liter Frischwassertank wird von einer Pumpe angezapft

Der Kühlschrank hat seinen festen platz
Der Kühlschrank hat seinen festen platz

Über die Leiter kommt man auch von außen ins Zelt
Über die Leiter kommt man auch von außen ins Zelt

Das Aufstelldach ist eine echte Bereicherung
Das Aufstelldach ist eine echte Bereicherung

Und jetzt?! Neues Jahr, neuer Ausbau. Denn wir haben Großes vor (Auflösung folgt bald). Da es nicht nur in warme Gefilde gehen soll, hat sich Phia (mittlerweile meine Frau) eine Standheizung gewünscht. Die macht aber nur Sinn, wenn das Auto entsprechend gedämmt ist. Und genau das ist jetzt meine Aufgabe. Auch das Schubladen-System unter dem Bett, in dem Küche eingebaut ist, möchte ich nochmal optimieren. Es steht also einiges an Arbeit an.

Alles wieder draußen: Vorbereitung für Rostbehandlung und Dämmung
Alles wieder draußen: Vorbereitung für Rostbehandlung und Dämmung
Hier soll die Standheizung hinkommen
Hier soll die Standheizung hinkommen

Es ist schon Wahnsinn, wenn man den Pajero von heute und den von meiner Indienreise vergleicht. Heute ist der Pajero ein richtiges rollendes Zuhause mit dem ein oder anderen Komfort. Doch das hat auch seine Nachteile. Denn je mehr man mit tollen Funktionen ausgestattet ist, desto mehr kann auch kaputt gehen. Auf der letzten Reise ärgerte ich mich über den Kühlschrank, der plötzlich nur noch temporär funktionierte. Ein Wassertank mit angeschlossener Pumpe lief in Rumänien auf einer Offroadtour aus und setzte das ganze Fahrzeuginnere unter Wasser. Nach einer Nacht bei kalten Temperaturen sammelte sich das Kondenswasser am Dachfenster und tropfte morgens auf mein Gesicht. Und ich hoffe immer noch, dass das Aufstelldach auch einige Jahre durchhält! Geht das auf einer langen Reise kaputt haben wir ein Problem. Zunächst habe ich jedoch eine ganze Menge Punkte auf meiner Ausbau-To-Do Liste. Wie gut, dass der Fahrzeugausbau mittlerweile zu meinem liebsten Hobby geworden ist 😉

Die Lichterkette macht es erst gemütlich
Die Lichterkette macht es erst gemütlich

Fazit

Es braucht nicht unbedingt viele Investitionen und Zeit, um ein Auto so auszubauen, dass man damit um die Welt fahren kann. Mit der Minimalausstattung meiner Indienreise kam ich ausgezeichnet zurecht. Seit den letzten Jahren möchte ich jedoch zwei Dinge nicht missen: den Kühlschrank und die Markise. Doch am Ende muss jeder für sich selbst rausfinden, was ihm am Fahrzeugausbau wichtig ist. Daher mein Tipp an Neulinge mit knappem Budget: Fahrt erstmal mit einer Minimalausstattung los und optimiert hinterher. Ihr werdet wahrscheinlich weniger Sorgen haben – vor und nach der Reise. Jetzt geht es aber endlich auf die Reise. Dieser Beitragsreihe möchte ich noch zwei weitere Kapitel widmen. Als nächstes erfahrt ihr, wie man entspannt über Landesgrenzen außerhalb Europas kommt und wie ihr es schafft, möglichst ohne Bestechung an korrupten Beamten vorbei zu kommen. Es darf dann auch viel gelacht werden…

Weiter zum Thema

Teil 1: Die Idee und erste Vorbereitungen

Teil 2: Das passende Auto, die Reiseroute, Reise in Konvoi (China, Myanmar, Thailand)

Teil 3: Visa, Reisepass, Dokumente für das Auto, Dokumente Allgemein, Geld

Teil 5: An den Landesgrenzen, Tanken unterwegs, korrupte Polizei

Teil 6 (folgt): Ankommen

Reiseliteratur

Mathias Verfasst von:

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