El Salvador. Ein Land, von dem sicherlich viele gar nicht wissen, dass es existiert. Das kleine zentralamerikanische Land hat für seine Größe allerhand zu bieten. Umso trauriger ist es, das El Salvador nicht wegen seiner traumhaften Strände, Vulkane und der Straße der Blumen (Ruta de las Flores) bekannt ist. Traurige Berühmtheit erlangte El Salvador durch die Bandenkriege, bei denen alles um Drogen, das schnelle Geld und Menschenschmuggel geht.
Übersetzt heißt El Salvador „der Erlöser“. Das Land ist so groß wie Hessen und ist damit das kleinste Land Zentralamerikas, hat aber im Gegensatz dazu die größte Bevölkerungsdichte im Vergleich zu seinen Nachbarländern. Fast die Hälfte der Einwohner lebt unterhalb der Armutsgrenze. Viele arme Menschen auf engem Raum – eine gefährliche Kombination.
Um den Drogenhandel zu organisieren bildeten sich Banden. Die bekanntesten sind die Mara Salvatrucha und die Mara-18. Innerhalb der Banden bildeten sich wichtige soziale Strukturen. Aufgrund der hohen Arbeitslosigkeit und Armut im Land war für viele Jugendliche der Eintritt in die Banden der einzige Weg Geld zu verdienen. Doch die Banden rivalisierten miteinander. Wurde beispielsweise ein Bandenmitglied der Mara Salvatrucha von einem Mitglied der Mara-18 getötet, musste ein Mitglied der Mara-18 dafür sterben. Auge um Auge, Zahn um Zahn. 2015 kamen in El Salvador 105 pro 100.000 Menschen durch Tötungsdelikte ums Leben. Der Internationale Durchschnitt lag im selben Jahr bei 6.2, in Deutschland bei 0,4. Das ist die weltweit höchste Rate, dementsprechend ist die Hemmschwelle für den Einsatz von Schusswaffen sehr gering, ein Menschleben zählt wenig.
Nun fragt ihr euch bestimmt, ob wir uns nicht unwohl gefühlt haben, als wir durch dieses Land gereist sind. Von der Gewalt bekamen wir nichts mit, da wir einem großen Bogen um die Hauptstadt San Salvador gefahren sind, auf die sich die Kriminalität konzentriert. Generell gilt: Hat man nichts mit Drogen zu tun und ist im Land auf bekannten touristischen Strecken vor allem bei Tag unterwegs, kann man sich durchaus sehr sicher fühlen. Schließlich sollte man auch in Berlin in der Nacht bestimmte Bezirke meiden. Natürlich leidet aber der Ruf des Landes durch die Bandenkriminalität und viele Besucher schrecken solche Zahlen ab. Wir hatten aber keine andere Wahl. Auf der Reise nach Panama mussten wir entweder durch El Salvador oder Honduras durch. Und da Berichten zufolge vor allem die Pazifikregion El Salvadors als verhältnismäßig sicher gilt, steuerten wir genau diese auch an.
Aber stopp, Kommando zurück! Wir müssen ja erst einmal über die Grenze. Und das läuft zunächst erstaunlich reibungslos und schnell ab. Aber was wäre ein Grenzübertritt ohne eine Überraschung. Sonst hat man ja gar nichts zu erzählen. Gerade als wir beim allerletzten Schritt des gesamten Prozederes sind und auf der Seite El Salvadors beim Zoll das sogenannte TIP (Temporary Import Papers – Temporärere Importpapiere für das Auto) ausstellen lassen, stürzt das Computersystem ab. Alle Monitore der Zollmitarbeiter sind schwarz. „Ich wollte gerade das Dokument abschicken, dann ist das System ausgefallen. Das kann etwas dauern“ berichtet mir der Grenzbeamte mit Bedauern. 3 Minuten früher an der Grenze und wir hätten nicht noch extra 2 Stunden mit Warten hier verbringen müssen. Aber das hatte auch was Gutes! Denn bei der Warterei sind uns gleich drei Ameisennester im und am Auto aufgefallen, die wir schleunigst beseitigt haben. Mein Ameisenkarma ist sowieso schon äußerst schlecht und Ameisen im Bett und sonst überall sind nun wirklich uncool. Wir haben also keine Wahl.
Da es durch den Systemausfall für uns mächtig spät geworden ist, steuern wir den erstbesten Stellplatz nach der Grenze am Meer an. Und der erweist sich als Glücksfall. Wir haben uns für einen Stellplatz bei einem Restaurant entschieden, der sehr gelobt wurde. Kaum sind wir auf das Grundstück gefahren, winkt uns schon ein Mann herbei und zeigt uns freundlich wo wir uns hinstellen können. Später kommt sein Chef Fernando hinzu. „Das Restaurant ist ein Familienunternehmen. Meine Frau, meine Tochter und mein Sohn – alle helfen mit. Ihr könnt hier so lange ihr wollt kostenlos campieren. Wir würden uns natürlich freuen, wenn ihr aber auch die leckeren Speisen aus unserem Restaurant probiert.“ Mit diesem Deal sind wir mehr als einverstanden. Zudem ist das Essen, wie wir wenig später rausfinden, wirklich ausgezeichnet. Das Meer hat uns gefehlt und zum ersten Mal auf der Reise gehen wir im Pazifik baden. Allerdings mündet genau vor unserer Nase ein Fluss in den Pazifik. Um ins offene Meer zu springen, müssen wir entweder auf die Ebbe warten, oder mit einem Boot über den Fluss übersetzen. Wie gut, dass wir reichlich Zeit mitgebracht haben und ein Kompaktboot dabeihaben. Für uns beginnen nun einige herrliche Tage am Meer.
Wir bleiben gleich eine Nacht länger als geplant bei Fernandos Familie, so wohl fühlen wir uns hier. Immer mal wieder kommt der 9-jährige Rodrigo, der Sohn von Fernando, vorbei. Er fragt wie es uns geht, schaut neugierig ins Auto und hat schon in seinem jungen Alter eine richtige Macho-Ausstrahlung, was wir aber ganz witzig finden. Noch Wochen später sollte er mir immer mal wieder eine Whatsapp schicken und fragen, wie es uns so geht. Also sitzen wir mal wieder morgens vor unserem Auto, genießen unser Frühstück und planen unsere weitere Route. Plötzlich kommt ein Minibus um die Ecke und parkt direkt vor unserem Reisemobil. Bei laufendem Motor steigen 12 Fahrgäste aus und purzeln fast auf unseren Frühstückstisch. Als alle draußen sind, läuft der Motor natürlich fleißig weiter und eine Abgaswolke umhüllt so langsam das Rührei auf den Tellern. Wir sitzen fassungslos da. Der ganze Parkplatz ist frei! Warum stellen die sich exakt vor uns? Wenigsten stellt der Fahrer dann auf Nachfrage nach 5 Minuten den Motor ab und wir stellen den Frühstückstisch wieder so, dass wir das Meer und nicht die Tür vom Minibus 50cm vor uns sehen. Sowas!
Zeit also weiterzufahren. 3 Stunden später stehen wir auf einem Parkplatz von einem etwas herunter gekommenen Restaurant, das Meer selber ist 5 Minuten zu Fuß entfernt. Hier soll man gut Surfen lernen können, doch der Strand ist eine Enttäuschung, die Wellen viel zu groß und die Menschen in den kleinen Ort irgendwie komisch. Bei unserer Stellplatzwahl haben wir eine wichtige Regel. Sollte einer ein komisches Bauchgefühl haben, dann fahren wir weiter und suchen einen neuen Ort zum Übernachten. Ohne Diskussion. Und hier haben sogar wir beide ein komisches Gefühl. Leider ist es schon recht spät und viel weiter können wir nicht mehr fahren. Im Nachbarort werden wir dann fündig, allerdings ist es eine Notlösung. Denn der Ort ist vor allem am Wochenende eine Partyhochburg. Und es ist Samstag. Aber was soll’s? Wir stehen für eine stolze Stellplatzmiete bei einem kleinen Hostel, dürfen Pool und die sauberen Toiletten benutzen und hören das Meer rauschen. Doch als die ersten Techno-Beats losdröhnen, hört man davon nicht mehr so viel. Als dann gegen Abend ein ordentliches Gewitter über uns hereinbricht und zweimal im ganzen Ort der Strom ausfällt, haben wir Hoffnung auf eine ruhige Nacht. Aber nicht hier in El Tunco, dem Ballermann von El Salvador. Hoffentlich wird der nächste Stellplatz besser.
Und ja das wird er! Nochmal 3 Stunden fahren und schon stehen wir mit staunenden Augen am Strand von Las Flores. Der Pajero steht sicher wenige Meter hinter uns in einem Palmenhain. Ein kleines Restaurant versorgt die Gäste mit Fisch und zum Trinken gibt es kaltes Bier oder Kokosnüsse direkt von der Palme. Das Meer schickt perfekte Beginnerwellen ans Land. Ein Traum. Drei Nächte bleiben wir hier und verbringen die Tage mit Surfen, in der Hängematte liegen, Lesen und Nixtun. Ein Paar aus Holland steht mit ihren Reisemobil unweit von unserem Camp und so können wir uns herrlich über Reisegeschichten austauschen. Tagsüber ist das Wetter perfekt und abends brechen die Gewitter über uns herein, die ich staunend aus sicherer Entfernung beobachte. Uns geht es schon ziemlich gut.
Und so verlassen wir nach einer Woche El Salvador, eines der gefährlichsten Länder der Welt. 3 Tage hatten wir ursprünglich geplant, 7 sind es geworden. Niemals haben wir uns unsicher gefühlt, doch die ungemütlichen Gegenden haben wir ja auch gemieden. Es ist wirklich traurig für das Land und die Einwohner. Denn neben Traumstränden gibt es noch zahlreiche Vulkane, aufregende Straßen durch die Berge und verwunschene Dörfer in diesem Land zu entdecken. Auch wenn es als Reisender eher unwahrscheinlich ist, mit Banden in Kontakt zu kommen, so möchte man ja nichts unnötig riskieren. Was bleibt ist die Hoffnung auf bessere Zeiten. Das Land richtet seine Politik stark nach den USA aus. Seit 2001 ist sogar der US-Dollar die offizielle Währung. Der aktuelle Präsident hat sogar vor einem Jahr die Krypto-Währung Bitcoin als offizielles Zahlungsmittel zugelassen, auch um mehr Investoren ins Land zu lassen. Das Ergebnis ist allerdings ernüchternd. Wie viele Länder Zentralamerikas ist es für El Salvador noch ein langer Weg.
Unser Weg führt weiter nach Nicaragua. Dazu müssen wir durch einen schmalen Streifen von Honduras, der allerdings keine besonderen Highlights zu bieten hat. Diese liegen eher im Norden an der Karibikküste oder im Westen an der Grenze zu Guatemala. Daher entscheiden wir uns an einem Tag gleich zwei Grenzübertritte mitzunehmen. Ob das die richtige Entscheidung war, das erzählen wir euch das nächste mal.
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