Seit 10 Tagen waren wir nun schon zu viert unterwegs und haben einige der schönsten Nationalparks der USA zu Gesicht bekommen. Mittlerweile sind wir im Capitol Reef Nationalpark angekommen. Etwas müde von den vielen Eindrücken der letzten Tage, wurden wir sehr schnell wieder aufgeweckt. Denn keiner hatte das kommen sehen, was nun auf uns zukam.
Wir hatten unser Camp am Rande des Nationalparks in der Wüste aufgeschlagen. Ein typisches Wildcamp. Nur 20 Minuten vom Nationalpark entfernt, wunderschön und ganz für uns allein. Zuvor hatten wir schon erste Eindrücke vom Nationalpark gesammelt und sind unter anderem mit dem Auto ein ausgetrocknetes Flussbett entlanggefahren und haben dieses auch ein kleines Stück durchwandert. „Grand Wash“ nannte sich dieser Canyon, den wir überlegten am nächsten Tag von der anderen Seite her zu durchwandern. Die Alternative war eine Wanderung zu einem Aussichtspunkt, von dem man den ganzen Park sehen konnte. Wir stimmten ab. Eine Enthaltung und jeweils eine Stimme für Aussichtspunkt und Grand Wash. Phia’s Stimme sollte also über unsere Wanderroute entscheiden. „Ich bin für den Aussichtspunkt, auch wenn es mehr Höhenmeter sind. Dafür ist es etwas kürzer von der Distanz“ so die Stimme von Phia. Die Entscheidung war gefallen. Und sie war eine der wichtigsten unsere gesamten Reise.
Wir hatten gerade den Aussichtspunkt nach einer mühsamen Wanderung erreicht, als wir dunkle Wolken über der nächsten Bergkette erblickten. Das kam überraschend, waren wir doch bisher bei schönstem Wetter gelaufen. Da wir hier aber nach zwei Tagen etwas Handyempfang hatten, schrieben wir erst einmal in Seelenruhe unseren Lieben daheim einige Lebenszeichen und Fotos. Unbemerkt kam die dunkle Wolke zielstrebig auf uns zu. Ein Blitz ließ uns zusammenzucken. Vielleicht sollten wir doch schnell wieder zurück. Kaum waren wir losgelaufen, war das Gewitter schon über uns. Gewitter auf dem Berg ist niemals gut, also gingen wir vom Wanderschritt in den Laufschritt über und rannten den Berg hinunter. Die Schleusen in den Wolken öffneten sich über der benachbarten Bergkette und wir bekamen den Regen am Rand mit. Auch das Gewitter war zwei, drei Kilometer entfernt, in den Bergen fühlte es sich aber so an, als wäre man genau darunter. Pitschnass erreichten wir unser Auto und fuhren aus dem Nationalpark, als wir den „Grand Wash“ Canyon erreichten – also die Stelle, die wir eigentlich entlangwandern wollten. Der trockene Canyon hatte sich in einen reißenden Strom verwandelt. Ungläubig standen wir eine Weile davor und betrachteten das Schauspiel. Später erfuhren wir, dass über 60 Menschen die Nacht über im Canyon ausharren und zum Teil mit dem Helikopter gerettet werden mussten. Autos wurden wie Spielzeuge weggespült. Wie durch ein Wunder kam kein Mensch ums Leben. Es sollte die schlimmste Sturzflut seit 20 Jahren im Nationalpark gewesen sein. Kaum auszumalen, wenn Phia’s Stimme für die Wanderung anders ausgefallen wäre…
Wir flüchteten vor dem schlechten Wetter und fuhren zum Glen Canyon. Der kleine Bruder vom Grand Canyon war der nächste Geheimtipp auf unserer Tour. Wie im Grand Canyon fließt hier der Colorado-River entlang und hinterlässt eine beeindruckende Landschaft. Im Gegensatz zum Grand Canyon, waren wir hier ganz für uns allein. Von hier aus fuhren wir noch einmal durch ein National Monument, das den Namen der Hauptattraktion trägt: Natürliche Brücken/Natural Bridges. Auch hier war kam etwas los und fast wären wir glatt spontan noch einen Tag geblieben. Doch wir alle waren auf das Monument Valley gespannt, dass nur 2 Stunden entfernt lag.
Und jetzt stellt euch mal folgende Szene vor. Ihr fahrt mit dem Auto durch die endlose Prärie der USA, da joggen zwei Touristen auf der Straße entlang und ein anderer macht wild von der Szene Fotos. Ja – das waren wir. Am Forest Gump Point im Monument Valley muss man natürliche selbige Szene aus dem Film nachgestellt werden – auch wenn es noch so affig ist. Das Monument Valley selber haben wir dann wieder früh am Morgen erkundet, um am Wochenende noch vor den Besucheransturm da zu sein. Auch hier wurde noch einmal Eintritt fällig, da der Nationalpark von den Ureinwohnern verwaltet wird. Wir befanden uns im Navajo Indianerreservat. Zum großen Teil totes und schwer zu bewirtschaftendes Land, in das die Ureinwohner zurückgedrängt wurden. Leider lag hier besonders viel Müll am Straßenrand, was wir nicht so richtig verstanden. Schließlich müssten doch die Ureinwohner eine besondere Beziehung zur Natur haben. Aber wahrscheinlich haben sie gerade größere Sorgen…
Noch einmal kehren wir zum Glen Canyon zurück und schlagen unser Camp am Colorado River auf. Hier hatte der Fluss sogar einen natürlichen kleinen Sandstrand der zum Baden einlud. Für 100 Dollar pro Person kann man hier auch einige Kilometer den Fluss mit einem angemieteten Kayak herunterpaddeln. In unseren Augen Wucher. Also sind Olaf und ich kurzerhand losgewandert, um etwas flussaufwärts vom Stellplatz unser Ultraleichtboot ins Wasser zu lassen. Wir kämpften uns zwei Flusskilometer gegen den Strom durch die herrliche Schlucht. Unsere Motivation: Sich dann schön flussabwärts treiben lassen. Allerdings kam genau als wir wendeten ein Sturm auf, der flussaufwärts bliess. Ohne Paddelschläge hätte uns der Wind flussaufwärts getrieben. So mussten wir noch stärker paddeln als zuvor, um wieder zurück zu kommen. Völlig ausgelaugt kamen Olaf und ich am Camp an. Dort kämpften Larsi und Phia mit unserer Markise und dem Vorzelt, die sich hart gegen den Sturm wehrten. Zu viert konnten wir unser Camp absichern, während uns der Sturm noch einige Stunden um die Ohren bliess. „Von wegen Urlaub…“ murrte Phia, als sie im sich ständig wechselnden Wind versuchte für die Männer zu kochen.
Den Grand Canyon hatten wir uns für den Schluss aufgehoben. Doch das eigentliche Highlight sollte noch kommen. Ohne Olaf und Larsi einzuweihen, hatten Phia und ich einen Helikopterrundflug über den Grand Canyon organisiert. Wir hatten einen Stellplatz keine 10 Minuten vom Landeplatz und keine 15 Minuten vom Nationalpark gefunden. Perfekt für die Überraschung. Wir starteten gewohnt früh (6 Uhr) in den Tag, um vor dem Besucheransturm zum Grand Canyon zu gelangen. Doch als wir losfahren wollten, um pünktlich am Flugplatz zu sein, sprang auf einmal der Pajero nicht mehr an. Und das gerade an diesem Tag! Angsterfüllt blickte ich in Phias Gesicht. Wortlos kommunizierten unsere Augen miteinander. Nur nicht heute! Die beiden anderen ahnten ja noch nicht um was es ging. Ich öffnete die Motorhaube und musste feststellen, dass der Öldeckel abgefallen und (glücklicherweise) noch im Motorraum lag. War das der Grund? Ich schraubte den Öldeckel wieder fest und probierte es weitere dreimal. Immer kam nur weißer Rauch aus dem Auspuff. Ich malte mir schon sämtliche Optionen aus: Per Anhalter fahren? Jemanden im Wald (es war ein Wildcampingplatz, doch es gab noch zwei andere Autos in Sichtweite) um Hilfe fragen? Ein Taxi rufen? Doch dann sprang der Wagen endlich an. Das war knapp! Da wir sowieso am Helikopterlandeplatz vorbeifuhren, fiel unser Vorhaben gar nicht auf. „Mathi will sich mal die Hubschrauber ansehen“ so Phia. Olaf wollte schon wieder ins Auto steigen, da ließen wir die Bombe platzen. Die Augen hättet ihr sehen müssen! Es war für uns ein absolutes Highlight als wir mit spektakulärer Musikuntermalung auf den Kopfhörern über die Kante des Grand Canyons flogen. Ein wirklicher Gänsehautmoment.
Aber das war noch nicht alles! Am Abend danach weihten wir Olaf und Larsi ein, dass wir in Las Vegas noch einmal heiraten würden und das es noch eine kleine Überraschung gibt. Wir machten uns also alle vier im Hotel in Las Vegas mächtig schick und wurden dann von einer weißen Stretchlimousine abgeholt. Die beiden waren vollkommen aus dem Häuschen. „Ihr beiden könnt es immer noch toppen“ so Olaf. Unser Fahrer fuhr uns zu einer kleinen Kapelle am Stadtrand. Dort bekamen wir Blumenstrauß und Ansteckblume, bevor unser Ehegelübde erneuert wurde. Die Ansprache der Rednerin war zwar etwas mau, dafür konnte Phia (wie sie sich es schon immer gewünscht hatte) mal in einer Kirche heiraten und wir uns gegenseitig ein weiteres Mal einige schöne Worte mit auf den Weg geben. Ein wirklich schöner Moment. Ronny, so hieß unserer Fahrer, brachte uns dann wieder mit der Limo zurück zum Hotel. Und dort gab es auch ein Casino. Da es mein Glückstag war, wechselte ich 40 Dollar in Spielgeld, setzte die Hälfte davon auf Schwarz und verlor. Dann alles auf Rot und die Farbe kam. Ich war also wieder beim Anfang. „Hör auf mein Schatz, du hattest deinen Spaß“, so die Stimmen der Vernunft (Phia, Olaf bestätigte das). „Nach Las Vegas kommen und siegen“, so der Spieler (Mathi, Larsi). Nach weiteren zwei Runden hatte ich aus 40 Dollar 60 Dollar gemacht. Das sollte für einen Sekt zum Feiern reichen (Mathi). Ich erzählte allem im Casino, dass ich gerade 20 Dollar Gewinn gemacht hatte und investierte diesen in den billigsten (ähm ökonomischsten) Champagner (oder Sekt).
Was für ein Tag. Aber noch war nicht Schluss. Wir wurden zwar nicht von Elvis getraut, aber Elvis sollte noch für uns Singen. Denn wir hatten uns Karten für eine Elvis-Show besorgt, zu der wir von einem Lyft-Fahrer (so etwas wie ein Taxi, das Privatleute anbieten) mit einem Sportwagen gefahren wurden. Dann legte Elvis seine Show aufs Parkett. Einige der Besucher kreischten unentwegt. Zurecht, denn die Show war richtig gut. Das sollte es gewesen sein? Natürlich nicht! Denn gleich neben der Elvis-Location lag ein bayrisches Hofbräuhaus. Zum Abschluss gab es also Maßbier, Sauerbraten und deutsche Schlager, welche die Band eigens für uns spielte und am Ende sogar noch den Zillertaler Hochzeitsmarsch mit uns getanzt hatte.
Etwas wehmütig verabschiedeten wir unsere beiden Mitreisenden in Las Vegas am Flughafen. Da die beiden 6 Stunden Aufenthalt in Amsterdam haben sollten, ermutigten wir sie, sich doch in der Zeit nochmal die Stadt anzuschauen. Doch obwohl sie 3 ½ Stunden vor Abflug wieder am Flughafen waren, verpassten die aufgrund der langen Schlange am Security-Schalter beim Flug-Chaos in Amsterdam ihren Flug und mussten von Marietta abgeholt werden, die schon in Nürnberg auf Olaf und Larsi gewartet hatte. „Ihr wolltet Abenteuer, ihr bekommt Abenteuer“. Wir indes fieberten mit den Heimreisenden mit und konnten unseren letzten Nationalpark, den Joshua Tree Nationalpark, gar nicht so richtig genießen.
Dann war es soweit. 10 Wochen USA gingen dem Ende zu. Unsere Erwartungen wurden in allen Bereichen übertroffen, unsere Vorurteile hingegen kaum erfüllt. Das Land hat eine wunderschöne und enorm abwechslungsreiche Landschaft und viele, viele tolle und freundliche Menschen, die stets hilfsbereit und neugierig waren. Immer mit einem Lächeln auf dem Gesicht. Am Ende gab es noch ein großes Feuerwerk zum Abschied. Es war der 4. Juli, der Nationalfeiertag der USA. Und für uns der Startschuss zu 8 Monaten Latein- und Südamerika.
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