Phia: Wir sind angekommen!! Nach vielen unzähligen Flugstunden und -kilometern sind wird endlich in Halifax, in Nova Scotia – Kanada, gelandet. Was für ein Ritt!
Leider hat das Schiff, mit dem unserer Pajero unterwegs ist über 2 Wochen Tage Verspätung. Also muss ein Plan für die Wartezeit her. Noch von Sri Lanka aus versuchen wir das Beste daraus zu machen. Hätten wir das früher gewusst, wären wir natürlich einfach länger hier im günstigen Tropenparadies am Strand geblieben. Aber der Flug nach Kanada war bereits gebucht. Nächste Idee: Wir fliegen über Toronto nach Halifax, vielleicht können wir hier noch ein paar Tage verbringen und uns die Metropole anschauen. Also rufen wir das Buchungsportal unserer Flüge an und fragen nach. Leider scheint es unmöglich unser Gepäck, dass nach Halifax soll, bereits in Toronto in Empfang zu nehmen, somit müssen wir uns auch diese Idee aus dem Kopf schlagen.
Was machen Overlander, wenn sie 2 Wochen kein Auto haben? Na klar, sie mieten sich ein Wohnmobil 😉 Von unserem Baumhaus in Sri Lanka aus checken wir verschiedene Angebote und buchen letztendlich für 9 Tage das kleineste verfügbare Wohnmobil, in das unser Pajero locker 4-mal reinpasst. Gleich am Tag nach der Ankunft soll es los gehen. Wir wollen ja schließlich was vom Land sehen.
Kleine Sidestory zu unserem Flug nach Kanada: Gut gelaut, so gut es eben geht an einem Montagmorgen um 4 Uhr früh, starten wir unseren Reisetag. Doch schon am Schalter zum Gepäck-Check-In kommt es knüppeldick und die manchmal so typische deutsche Unfreundlichkeit schlägt uns entgegen. Unser Gepäck kann auf biegen und brechen nicht bis Halifax durchgecheckt werden, sondern muss in Toronto abgeholt und dort neu eingecheckt werden. (Komisch, hatten wir nicht genau das vor ein paar Tagen explizit angefragt und es war unmöglich??) Das bedeutet jetzt für uns, dass wir in Toronto komplett durch die Einreisekontrolle müssen, das Gepäck holen, das Terminal wechseln und neu einchecken müssen. Alles innerhalb von 2 h. So haben wir uns das nicht vorgestellt! Dazu kommt, dass unsere Rucksäcke plötzlich als Sperrgepäck gelten und wir unsere Sitzplätze auch nicht ändern können, weil beide Flieger restlos ausgebucht sind – Guten Morgen! Können wir den Tag bitte nochmal von vorne beginnen?
Jede Minute am Boden telefonieren wir mit der Buchungsgesellschaft der Flüge und den Airlines und fragen nach Hilfe. Nix zu machen. Wir müssen komplett raus und wieder rein. Und nicht mal einchecken konnte uns jemand für den letzten Flug, sodass man überhaupt hätte wissen können, dass es uns gibt und wir mitfliegen wollen. Bekommen wir den Flieger nicht, wird es teuer. Flüge von Toronto nach Halifax kosten 500 € pro Person. So kann man den Reisebeginn irgendwie nicht genießen. Doch mit jedem Kilometer der Reise werden die Menschen netter und wir wieder optimistischer gestimmt. Unser Flug nach Toronto ist sogar 20 min früher dran und wir dürfen uns dank der hilfsbereiten Stewarts weiter nach vorne setzen, um schneller aus dem Flieger zu kommen. Übrigens war keiner der Flieger ausgebucht und eine Sitzplatzänderung am Gate auch kein Problem…
Nach der Landung hieß es dann rennen! Im Laufschritt geht’s zur Einreisekontrolle. Das ging recht flott. Dann weiter zum Gepäckband. Auch hier geht es schnell und wir liegen gut in der Zeit. Wir werden allerdings abrupt aufgehalten, als eine Frau unsere Pässe kontrolliert. Auf Mathis Reisepass klebt ein grüner Aufkleber. Bei mir ein pinker. Und dieser bedeutet: Ab zum Corona-Test. Ich glaub ich werd verrückt! Wir gehen direkt an der Schlage vorbei und erklären unsere Situation. Es klappt, ich komme schneller dran. Auch beim anschließenden Gepäck-Check-In drängeln wir uns freundlich vor und kommen schließlich gerade noch pünktlich zu unserem Flieger. Was für ein Stress. So einen Reisetag hatte ich bisher noch nie!
Unser Host des Bed & Breakfasts holt uns direkt von Flughafen ab und bringt uns am nächsten Tag sogar zum Wohnmobilvermieter – man kennt und hilft sich eben.
Unser Wohnmobil, welches wir nach dem Vermieter „Willi“ tauften, ist riiiiiesig und hat sogar ein Slideout. Das bedeutet, dass unser Bett nach draußen fährt und wir somit noch mehr Fläche haben. Wir haben einen großen Kühlschrank, ein Gefrierfach, einen 3-flammigen Gasherd, eine Mikrowelle, einen riesigen Flachbildfernseher und ein Bad mit Toilette und Dusche. Der Wahnsinn! Und irgendwie sitzen wir beim Fahren ziemlich weiter voneinander entfernt. Allgemein ist alles riesig. Kaum haben wir unsere paar Sachen eingeräumt finden wir sie in den vielen Schränken gar nicht wieder.
Auf geht’s. 9 Tage im Wohnmobil. Wir fahren quer durch Nova Scotia.
Mathi: Wir merken relativ schnell, dass wir etwas zu früh in diesem Teil von Kanada sind. Alle Campingplätze haben noch zu. Naja, mit diesem rollenden Haus braucht man ja auch keinen Campingplatz und Wildcamping scheint auch kein Problem zu sein. Auf unseren Stellplätzen werden wir regalmäßig angesprochen. Die Einheimischen staunen, dass so früh im Jahr schon Touristen unterwegs sind. Na warum nicht? Unser Ziel für die 9 Tage soll der Norden von Nova Scotia sein. Vor allem auf den viel gelobten Cabot Trail freuen wir uns und wollen drei bis vier Tage dort verbringen. Doch es würde mal wieder alles anders kommen.
Wir fahren an der Ostküste hoch bis zur Halbinsel Cape Breton. Dieser Teil ist vor allem für seine Hummerfischer bekannt, doch selbst die haben noch keine Saison. Alles wirkt wie ausgestorben. Auf Cape Breton steuern wir die Hauptsehenswürdigkeit der Halbinsel an: Louisburg. Unesco Weltkulterbe als eines der ersten Siedlungen der Europäer auf dem nordamerikanischen Kontinent, die originalgetreu nachgebaut wurde. Reisen in der Nebensaison (oder auch außerhalb jeglicher Saison) hat auch seine Vorteile. Unser Stellplatz für den Abend liegt schon in einem Nationalpark, aber der freundliche Ranger lässt uns gewähren, solange wir kein Feuer machen. „Ich habe nichts gesehen. Habt einen schönen Abend und willkommen in Louisburg.“ Mensch, sind die Leute freundlich hier. Später kommt auch eine Frau vorbei mit ihren Hunden und ruft uns zu „Endlich wieder Touristen! Wie schön!“.
Zu dieser Zeit des Jahres bestimmen dichte Nebelfelder das Landschaftsbild an der Küste von Cape Breton. Das Meer ist noch zu kalt und die Luft schon warm und schwupps: Alles ist im Nebel. So auch die Hauptsehenswürdigkeit Louisburg. Wie bezahlen 10 Dollar Eintritt, um ein paar Gebäude im dichten Nebel anzuschauen und auch nur in ein Gebäude können wir rein. Hat sich ja mächtig gelohnt. Normalerweise tummeln sich hier viele Schausteller, die das Leben von damals nachspielen. Wir sind ja eigentlich wegen dem Cabot Trail hier – eine Küstenstraße mit traumhaften Ausblicken und schönen Landschaften, ganz im Norden von Cape Breton. Blöd, dass diese Straße direkt an der Küste verläuft und somit komplett im kalten Nebel liegt. Über dem ganzen Land scheint die Sonne, nur hier an der Küste merkt man nichts davon – läuft für uns. Dazu wird es immer kühler und die Schneefelder nehmen immer mehr zu. Irgendwann fahren wir durch eine richtige Winterlandschaft. Der Nationalpark hier oben hat auch noch zu. Alle Wanderwege sind noch zugeschneit. Ich glaube wir sind zu früh dran…
Wie gut, dass wir ein rollendes Haus haben und nicht an Orte gebunden sind. Also schmeißen wir unsere Reisepläne für Nova Scotia über den Haufen und düsen nach einem knappen Tag Cabot Trail wieder in Richtung Süden. Wärmer soll es da sein, haben sie gesagt. Im Übrigen sind wir hier im Norden von Nova Scotia ungefähr auf der Höhe von Venedig. Und trotzdem ist es hier längst nicht so warm wie in der Lagunenstadt. Da sieht man mal, was der Golfstrom für Auswirkungen auf das europäische Klima hat.
Wir fahren also einmal quer durch Nova Scotia. Einmal wollen wir noch einen Campingplatz ansteuern, aber auch der hat zu. Also wieder irgendwo auf einen Parkplatz, schön gelegen an einem Leuchtturm, das Lager aufschlagen. Anscheinend stört es hier ja niemanden. Für unseren Trip durch den Süden von Nova Scotia müssen wir uns noch mit Lebensmitteln eindecken und haben dafür die Provinzstadt Truro ausgesucht. Dort werden wir von einem wütend hupenden Auto überholt. Die recht übergewichtigen Damen darin gestikulieren wild und zeigen uns den Stinkefinger. Was haben wir denn falsch gemacht? Oder haben sie einen ewigen Hass auf Touristen und haben dies am ersten Touristen des Jahres rausgelassen? Wir werden es nie erfahren.
Weiter unten im Süden haben wenigsten die Wanderwege auf, da kein Schnee mehr liegt. Dafür ziemlich viele Äste und umgefallene Bäume. Seit dem letzten Herbststurm ist nicht mehr viel passiert, daher müssen wir auf unserer Wanderung über und unter zahlreichen Bäumen durchsteigen. Klingt nach Abenteuer und ist es auch. Als mal wieder eine Schlechtwetterfront über den kanadischen Bundesstaat zieht, legen wir einen Fahrtag ein und fahren weiter nach Süden. Auf kleinen Straßen mit häufigem Wildwechsel fahren wir durch beschauliche Dörfer und Kleinstädte. In einer Kleinstadt namens Wolfsville fällt Phia eine Kirche am Wegesrand auf. Wenn Phia länger auf eine Kirche schaut, dann ist sie entweder besonders schön, oder es ist eigentlich gar keine Kirche, sondern eine Brauerei. In diesem Fall stimmt beides. Da müssen wir natürlich einkehren. Wir spazieren noch eine Runde durch die schicke Ortschaft, dann ist es 12 Uhr und die Kirche lädt zur Messe – ähm ich mein zum Essen. Natürlich mit Bier. Wir erzählen der Bedienung unsere Reisegeschichte und dass wir auf der Suche nach kleinen Brauereien sind. Und auf einmal steht die Marketingleiterin vor uns, ist von Lohrmanns-Bier begeistert und drückt uns ein Sixpack Bier, zwei Bierkühler und ein Cappi in die Hand. Na das läuft doch. Werden wir jetzt Instagram-Influencer?
Wir übernachten an einem schönen Stellplatz an der Bay of Fundy. Die ist durch ihren Tidenhub bekannt. An manchen Stellen beträgt der Unterschied zwischen Ebbe und Flut ganze 16 Meter. Und auch wir staunen nicht schlecht, als wir nachts aus dem Fenster schauen (es hat wie verrückt draußen gestürmt und irgendein Teil unseres Slideouts hat im Wind geklimpert) und wir feststellen mussten, dass der riesige Strand weg war – unter Atlantikwasser vergraben. Hier muss man also ganz genau hinschauen, wo man seinen Wildcampingplatz aufschlägt.
Wir versuchen nochmal einen Nationalpark anzusteuern, um eine Runde wandern zu gehen. Zudem haben wir ja einen Nationalparkpass, der 100 Euro kam und den bisher aber keiner sehen wollte. Und auch hier ist wieder keine Menschenseele. Alles zu, nur ein paar Wanderwege sind offen. Die sind auch recht schön und anscheinend ist hier auch mal jemand mit der Kettensäge langgelaufen, sodass wir weniger klettern müssen. Wahrscheinlich werden aber bald einige Bäume noch umfallen, denn für den nächsten Tag ist eine riesige Sturmfront angesagt. „Der erste Frühlingssturm des Jahres bringt Böen bis zu 90 KMH“ sagen sie im Radio. Das kann ja heiter werden. Da noch Ruhe vor dem Sturm herrscht, suchen wir ein schönes Plätzchen im Wald und sind sogar einmal nach der Dunkelheit (es wird erst gegen 22 Uhr dunkel) draußen, um uns um ein Lagefeuer zu setzen. Im Wohnmobil ist man nämlich ziemlich viel drin. Das kennen wir gar nicht von unserem Pajero. Da sind wir auch bei Wind und Wetter draußen. Auch der Pajero. Wo er wohl grad sein mag? Hoffentlich wird er bei dem Sturm nicht seekrank.
Wir sitzen den Sturm am Hafen auf einen Parkplatz mitten in der schönen Stadt Lunenburg aus. Am Namen merkt man schon, dass es einst deutsche Siedler waren, die diesem Landesteil zum ersten mal bewirtschaftet hatten. Schöne bunte Holzhäuser sind in der Stadt verteilt und locken täglich hunderte bis tausende Touristen an. Auch außerhalb der Saison. Es sei denn es kommt ein Frühlingssturm. Die Stadt war schon vor dem Sturm wie leergefegt. Eigentlich darf man am Hafen auch nicht im Wohnmobil übernachten, aber es war ja keiner da. Wer sollte sich da beschweren? Als die Sturmfront über uns einbricht werden wir fast seekrank, so schaukelt es im Wohnmobil hin und her. Wenigsten können wir das kostenlose W-Lan der Stadt nutzen und schauen uns zwei Tatort-Folgen an. Fast so wie daheim.
Der Sturm hat glücklicherweise nur einen halben Tag angehalten, so können wir die wunderschönen Küstenstraßen im prächtigen Sonnenschein erkunden. Es ist auch schon der letzte volle Tag unserer Wohnmobiltour. Wir bestaunen das malerische Küstendorf Peggys Cove mit dem schönen Leuchtturm und der traumhaften Küstenlandschaft. Überraschend müssen wir feststellen, dass hier vor 20 Jahren eine Swiss-Air-Maschine auf dem Weg von New York nach Genf abgestürzt war und alle 200 Insassen ums Leben gekommen sind. Ein Denkmal erinnert hier an diesen traurigen Tag.
Auch wir sind etwas traurig, denn wir müssen uns von wieder von Willi trennen. Am letzten Abend stehen wir auf dem Parkplatz vom Bed-and-Breakfast, in dem wir am ersten Abend in Kanada eingerückt sind. Der Besitzer war so lieb und hat uns kostenlos drauf stehen lassen und fährt uns dazu noch nach der Wohnmobilabgabe für knapp die Hälfte des Taxistarifs nach Halifax zu unserem Hotel. Leider hat der Pajero noch mehr Verspätung und wir müssen immernoch fast eine Woche in Halifax warten. So hatten wir uns das nicht vorgestellt. Und langsam wird es teuer. Kanada hat es von den Preisen her echt in sich!
Allerdings sind wir nicht die einzigen, die so lang auf ihr Fahrzeug warten müssen. Wir lernen ein junges Paar aus der Schweiz und ein etwa gleichaltriges aus Hamburg kennen. So verbringen wir ein paar schöne Abende und erkunden tagsüber die Stadt und das Umfeld. In Halifax gibt es auch ein Maritim-Museum mit einer Ausstellung zum Titanic-Unglück. Denn gar nicht so weit von Halifax entfernt ist damals die Titanic vor Neufundland gesunken. Daher gibt es in Halifax auch noch einige Grabsteine von Titanic-Opfern. Ich wünsche mir für den Abend passend zur Ausstellung den Titanic-Film und Phia erfüllt mir, wenn auch etwas überrascht, den Wunsch.
Dann ist es endlich soweit! Der Pajero ist angekommen. Allerdings an einem Samstag. Und das ist blöd, weil das Auto noch durch den Zoll muss. Der wird erst am nächsten Tag aktiv und erst einen Tag danach, können wir das Auto abholen. Da natürlich der Zoll Sonntag nicht arbeitet, bedeutet das für uns, dass wir noch länger warten und das Auto erst Dienstagfrüh abholen können. Während Phia noch die letzten Sachen im Hotel packt, nehm ich das Taxi zum Zoll, erledige den Papierkram und fahr dann mit den Schweizern zum Hafen. Da steht unser Kleiner! Etwas Salz auf der Windschutzscheibe, dafür treu wie immer. Es kann losgehen! Phia bleibt mit dem ganzen Gepäck auf dem Gepäckwagen in der Hoteltür stecken, schafft es aber sich aus eigener Kraft zu befreien und steht pünktlich auf dem Hotelhof, als ich vom Hafen einbiege. Wir drücken uns. Wir drücken das Auto. Und wir drücken aufs Gas. Morgen wollen wir in New York sein und da liegen noch 1400 Kilometer vor uns. Dazu wollen wir heute noch über die Landesgrenze in die USA einreisen. Ob das alles so klappen wird…?
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