Peru – Streik und Straßenblockaden im Inkareich

Rückblick: Gerade stehen wir auf einer tollen Bergwiese auf 4100 Meter Höhe und genießen den Blick auf die Cordillera Blanca. Eines unser schönsten Camps auf der Reise. Eigentlich ist alles perfekt. Wir haben mit Phias Freundin Conny Kontakt aufgenommen und planen den Weg bis nach Cusco. Dort wollen wir Weihnachten und ein paar ruhige Tage verbringen. Doch dann kommt alles anders.

Was für eine Ruhe (vor dem Sturm)

Der amtierende Präsident Castillo ist im Parlament umstritten. Er steht ein Amtsenthebungsverfahren nach dem anderen durch. Um dem zu entkommen löst er das Parlament auf. Ein Skandal! Politische Gegner sehen einen Putschversuch. Der Präsident wird festgenommen und seine Stellvertreterin übernimmt das Amt. Schaut man in die politische Vergangenheit Perus, ist das nichts Außergewöhnliches. Einige Ex-Präsidenten sitzen in Haft oder sind im Exil. Doch diesmal kommt der Präsident aus dem indigenen Lager, ein früherer Lehrer. Überraschend hat er die Präsidentschaft gewonnen und vor allem im ländlichen Raum hat er viele Anhänger. Die deuten die politische Situation so, dass „einer von ihnen“ in Lima den rechten Hardlinern lästig geworden ist und diese den Präsidenten beseitigt haben. Etwas Wahrheit steckt auch darin. Die Indigenen greifen zu ihrer besten Waffe – dem Streik. Überall im Land, vor allem aber im Süden und Südosten, rund um Cusco und den Titicacasee, wo der Präsident die meisten Anhänger hat, werden Straßenblockaden errichtet. Ganze Städte werden von der Außenwelt abgekoppelt. Da geht nichts mehr. Und dort wollen wir eigentlich über Weihnachten hin. Das ist in drei Wochen…

Zunächst hoffen wir, dass die Streiks nur zwei, drei Tage andauern und planen unsere weitere Strecke nach Cusco. Die Hauptstadt Lima wollen wir wegen des andauernden Verkehrschaos und eventuellen Demonstrationen vermeiden. Allerdings führen alle Routen gen Süden an die Pazifikküste und nach Lima. Wollen wir weiter durch die Berge fahren, werden wir auf kleinste Straßen ausweichen müssen. Und eigentlich wollen wir das ja auch. Also auf geht’s! Schnell kommen die ersten ziemlich hohen Bergpässe. Bis auf 4700 Meter geht es hoch. Leider hat gerade die Regenzeit begonnen und die Gipfel liegen in dichten Wolken. Auf dem Bergpass schneit es. Auf die Wettervorhersage kann man sich aber auch nicht verlassen. Es kann sich stündlich ändern. Auch erste Inkaruinen tauchen am Wegesrand auf. Wir besuchen eine ganz spontan und werden trotz Schließtag freundlich empfangen. Wir sind die einzigen Besucher.

Das erste mal auf 4700m
Erste Inca-Ruinen auf der Strecke
So sahen unsere Straßen aus

Da zum Nachmittag dunkle Regenwolken aufziehen, beschließen wir nach einigen Tagen Campen ein Hotelzimmer zu nehmen. Das kostet auch nur 8 Euro die Nacht. Aber es gibt nur kaltes Wasser. Wie gut, dass es 4 Kilometer entfernt heiße Quellen gibt. Dort bekommen wir für 2 Euro pro Person einen riesigen Pool in einem abschließbaren Raum für uns alleine. Aus dem Wasserhahn kommt heißes Quellwasser. Ein perfektes Wellnessprogramm. Was will man mehr.

Frühstück mit Aussicht

Die Entspannung tat gut, denn jetzt beginnt das Abenteuer. Asphaltierten Straßenbelag werden wir nur kurzzeitig unter den Rädern haben. Die Straßen werden extrem holprig und durch den einsetzenden Regen auch rutschig. Ein Abschnitt für 10 Kilometer wird gerade neu gebaut und der frisch aufgeschüttete, noch unbefestigte Schotterbelag ist durch den Regen reiner Matsch. Sollten wir ins Rutschen kommen, wird das die letzte Fahrt für uns gewesen sein. Keine Leitplanke schützt uns vor dem ca. 200 m tiefen Abgrund. Dann müssen wir auch noch ein gutes Stück an einer Baustelle rückwärtsfahren. Kein leichtes Unterfangen auf diesen schmalen Straßen. Phia läuft neben dem Auto her, um nochmal abzusichern. Wieder geht es auf 4700 Meter hoch, hier oben wird in einer gigantischen Miene Erz abgebaut. Wieder schneit es. Den einzigen Sonnenstrahl erhaschen wir an unserem Lager an der Laguna Patarcocha. Das Auto ist so dreckig wie noch nie und bekommt durch die hervorragende Tagesleistung von mir eine Handwäsche. Die wird durch den einsetzenden Regen verstärkt. Der Regen wird dann zu Hagel und Graupel. Dazu kommt Wind. Kein schönes Campingwetter. Vor allem wenn man noch draußen kochen muss. Das geschieht dann dann mit allen verfügbaren Klamotten inklusive dicker Handschuhe. Direkt nach dem Essen verziehen wir uns ins Auto und schauen Tatort. Nach draußen wollen wir heute nicht mehr.

Die Straßen werden aufregend
Die Straße wurde neu gemacht, der Schotter war extrem schlammig und rutschig. Kein einfaches fahren! Dazu noch Straßensperrungen
Tolle Farben, trotz Bewölkung
Wie in Island
Auf fast 4800m
Wir werden vom Regen überrascht
Eigentlich ein schöner Stellplatz: Wenn die Sonne scheint!

Am nächsten Tag geht es noch höher. Diesmal ist der Pass knapp 4800 m hoch. Die Straßen werden noch schlechter und wir werden ordentlich durchgeschüttelt. Das hinterlässt seine Spuren. Eine von vier Halterungen vom Bullenfänger ist gebrochen. Noch ahnen wir nicht, dass das später auf der Reise noch ein großes Problem werden wird. Die Lama- und Alpakaherden nehmen zu und das Wetter wird besser. Dazu kommt ein längeres Asphaltstück. Fahren macht wieder Spaß!

Auf einem Pass mit 4737m
Erste Lamas
Lamas überall
Auch Schafe gibt es hier
Pajero mit Lamas

Wir steuern den kleinen Nationalpark „Bosque de Piedras“, übersetzt „Steingarten“, an. Doch dort sind die Ranger alle ausgeflogen, die uns die Genehmigung erteilen können, im Nationalpark zu campieren. Da sich mal wieder ein Regengebiet nähert, steuern wir nochmal heiße Quellen an und bekommen dort wieder für wenig Geld einen Privatpool. So macht campen Spaß!  Als wir zum Nationalpark zurückkehren ist immer noch kein Ranger in Sicht. Doch ein Mitarbeiter gibt alles und handelt mit der Dame vom Einlass aus, dass wir über Nacht bleiben dürfen. Wir sind ganz allein im Park und schlagen unser Camp auf exakt 4.444 Meter Höhe auf (was Phia freut). Die Landschaft ist einzigartig! Der Wettergott schickt uns zum Tagesabschluss warme Sonnenstrahlen und zum Abend einen perfekten Sternenhimmel. Trotzdem strengt die Höhe an. Ich finde nur wenig Schlaf in dieser Nacht. Auch die Standheizung ist langsam überfordert und muss ständig neu gestartet werden, um die Temperaturen um den Gefrierpunkt angenehmer zu machen.

Unser höchstes Camp: 4444m
Wir ganz allein im Steinwald
Wilde Steinformationen
Wilde Formationen
Endlose Weiten
Einfach mal die Seele baumeln lassen
Wandern kann man hier auch perfekt

Noch immer hat sich die Situation in Peru nicht beruhigt. Besonders schlimm ist es bei Phias Freundin Conny in Urubamba. Die Stadt ist seit Tagen dicht. Bei uns ist es noch ruhig. Aber wie lange noch? Es bleibt nur die Hoffnung auf Besserung. Aber langsam machen wir uns auch über Alternativen Gedanken. Weiter geht es dennoch in Richtung Süden. An Lima sind wir schon vorbei. Daher legen wir noch einen Umweg über die Küste ein. Und der führt uns durch eine sehenswerte enge Schlucht und zu einer wunderschönen Lagune, zu der ein Fluss in traumhaften grün-blauen Farben führt. Klar, dass hier das Packraft-Boot zum Einsatz kommen muss. Was will man mehr, als in so einer schönen Kulisse mit dem eigenen Boot zu fahren?

Leider recht viel Regen auf dem Stellplatz
Aus der Luft sieht es nochmal spektakulärer aus
Da kommt auch das Boot zum Einsatz
Die Schluchten werden schmaler
Wunderschöne Landschaften

Aber es geht noch besser. Mittlerweile haben wir die Anden überwunden und fahren den Panamerika-Highway am Pazifik entlang. Am Horizont sehen wir gigantische Sanddünen, wie in der Sahara-Wüste. Und genau dort fahren wir hin. Durch unseren Allrad-Antrieb können wir direkt in die Sandwüste fahren (ich habe riesig Spaß). Inmitten der Sanddünen taucht auf einmal eine Lagune auf. Wie kann Wasser an so einen Ort kommen? Wir errichten ein Camp, an das wir uns noch lange erinnern werden. Nachts haben wir einen traumhaften Sternenhimmel, den wir bei einer schönen Feier zu zweit bewundern. Es gefällt uns so gut, dass wir gleich noch eine Nacht länger bleiben. Zudem haben wir sehr guten Internetempfang – hier in der Wüste! Der ist so gut, dass wir uns sogar das WM-Finale Frankreich-Argentinien anschauen können. Bei der Sonne und der Hitze steigt das Bierchen aber schnell zu Kopf.

Endlich durch die Sandwüste fahren
Eine Lagune in der Wüste
Hier kann man es aushalten
Wahnsinns-Stellplatz
Sanddünen
Nichts als Sand
Mit 4G in der Wüste können wir sogar das WM-Finale schauen
Kann man mal machen
So kommt bei uns etwas Weihnachtsstimmung auf

Auch die nächste Station hat es in sich. Wo die Wüste mit einer imposanten Steilküste aufs Meer trifft, fühlen sich besonders viele Meeresvögel wohl. In gigantischen Schwärmen sammeln sie sich. Wir sehen sogar Pinguine. Auch eine Gruppe Delfine sehen wir vom Land aus, wie sie durch die Wellen springen. Schade, dass man hier im Paracas-Nationalpark nicht campieren darf (seit Corona allerdings erst, das soll verstehen wer will). Sonst wären wir hier gern noch etwas geblieben.

Pigunine!
Tolle Motive
Fühlt sich hier wohl
Auf den Klippen
Leider darf man im Nationalpark nicht campen
Langsam zieht Nebel auf

Noch immer ist die politische Situation heikel und angespannt. Auf den Straßen sehen wir jetzt immer wieder Reste der brennenden Straßenblockaden. Aber alles ist bisher offen. Wir fahren an den bekannten Nasca-Linien vorbei und staunen nicht schlecht, dass die sich über hunderte Jahre gehalten haben. Nasca ist auch der Ort an dem wir uns entscheiden müssen: Fahren wir so schnell es geht weiter nach Chile und raus aus Peru, oder fahren wir wie geplant nach Urubamba und riskieren es im Land festzusitzen. Da Weihnachten vor der Tür steht, pokern wir und rechnen uns die Chance aus, dass über die Feiertage die Streiks und Straßenblockaden pausieren werden. Auf geht’s!

Es geht in die Ausläufer der Atacama

Wir kommen eine Stunde weit ohne Unterbrechung. Vor uns ist die erste Straßenblockade in Form einer Baustelle. Also alles noch gut. Bis wir nach 10 Minuten warten erfahren, dass die Straße bis 12:30 gesperrt ist. Wir schauen auf die Uhr: Es ist 10:00 Uhr. Wir haben keine andere Wahl. Als wir kurz nach 11 schon überlegen den Kocher anzuwerfen und uns Mittag zu machen, beginnt die Meuterei auf der Bounty. Einige ungeduldige Peruaner räumen die Schranke zur Seite und fahren einfach los. Wir hängen uns dran. Die Bauarbeiter fluchen und gestikulieren wild. Uns ist es egal, wir haben wieder etwas Zeit gewonnen. Wenig später sehen wir dann die richtigen Straßenblockaden, bzw. das von dem übrig geblieben ist. Wir staunen nicht schlecht, denn selbst die kleinsten Dörfer hatten hier vor einigen Tagen an Ortsein- und ausgang Erdhügel aufgeschüttet, auch wenn das nächste Dorf ebenfalls die Straßenblockaden errichtet hatte. Wo hier der der Sinn oder die Form des Protests liegt, können wir nicht verstehen. Auch der blinde Vandalismus, der hier hauptsächlich Mautstationen getroffen hat, ist uns schleierhaft. Verkohlte Überreste der Mautstationen erinnern an den Aufstand vor wenigen Tagen. Für uns gut, denn wir sparen Maut.

Hier liegt alles in Schutt und Asche
Berge rund Urubamba

Urubamba legt am Tag unserer Ankunft den Streik nieder, zum ersten Mal seit zwei Wochen können die Leute wieder auf die Straße. Perfektes Timing! Die Freunde ist groß, als wir Phias Freundin Conny treffen. Wir sind aber ziemlich geschafft, als die ganze Unsicherheit nun abfällt. Wir beschließen hier eine ganze Woche zu bleiben. Eine gute Entscheidung. Wir haben ein richtig schönes Weihnachtsfest mit bestimmt 20 Freunden von Conny aus aller Welt. Jeder bringt etwas zu Essen mit und vor allem Phias Gulasch mit Spätzle kommt richtig gut an. Wir fühlen uns wohl, auch wenn wir an diesen Tag doch sehr unsere Familie vermissen.

Wir haben es geschafft! Wir sind in Urubamba
Unsere Weihnachtsgesellschaft
Schrott-Wichteln zu Weihnachten
Das erste mal klettern für mich
Mit unserer Gastgeberin und Phias Freundin Conny kochen wir leckeres Weihnachtsessen: Gulasch mit Spätzle

Wir campieren im Garten von Conny und die Zeit geht ziemlich schnell. Wir besuchen berühmte Ruinenstätten, die nach dem Streik auch wieder offen sind aber kaum Besucher verzeichnen, da ein Großteil der internationalen Touristen Peru schon verlassen hat. Wir haben zur Hochsaison die Ruinen somit fast für uns allein.

Ruinen von Pisac
Salzterrassen von Maras
Das Agrar-Labor
Kleine Wanderung mit Hund
Auf der Wanderung sehen wir viele Lamas

Wir hören die Gerüchte, dass die Streiks noch bis Silvester pausieren sollen. Wir wollen es nicht komplett drauf anlegen und streichen einige Stopps aus unserem Reiseplan und beschließen noch in altem Jahr aus Peru auszureisen. Cusco wollen wir uns aber nicht entgehen lassen. Auf der Weihnachtsfeier haben wir den Besitzer eines 4-Sterne-Hotels in Cusco kennengelernt, dessen Hotel normalerweise immer ausgebucht ist. Doch durch die politische Situation sind ihm 80 Prozent der Gäste abgesprungen. Er lässt uns einen Promo-Code zukommen, mit dem wir auf seiner Webseite ein Doppelzimmer anstatt für 250 Euro die Nacht für 50 Euro bekommen. Da schlagen wir zu. Etwas Luxus können wir gebrauchen.

Die Kathedrale von Cusco
Cusco
Eine andere Welt
Bierchen mit Ausblick

Cusco tut uns gut. Wir tauchen für zwei Tage in die Inka-Kultur ein und genießen am Abend leckeres Alpaka-Steak im Hotel. Zudem kaufe ich hier zwei 20-Liter Kanister, die wir für Diesel verwenden wollen. Dazu fahre ich zwei Stunden mit einem Taxifahrer durch die Stadt und klappere alle möglichen Läden ab. Denn so einfach sind die Kanister nicht zu finden. Als nächstes wollen wir in Bolivien das Altiplano durchqueren. Auf über 4.000 Meter Höhe soll für hunderte Kilometer die Tankstellendichte sehr niedrig sein. Wir werden die Kanister noch brauchen.

Marktstimmung
Kuhschnauze
Marktstimmung
Marktstimmung
Mensch und Tier
Marktstimmung
Marktstimmung
Marktstimmung
Marktstimmung
In Cusco – Alpakas sind eine Attraktion

Zwei Tage fahren wir von Cusco bis zur bolivianischen Grenze. Als wir die letzte Nacht vor dem geplanten Grenzübertritt auf einem Pferdegehöft mit dem Besitzer reden, werden die Hoffnungen auf eine problemlose Reise nach Bolivien gedämpft. „Rund um den Titicacasee sind noch immer Straßensperren. Da werdet ihr nicht durchkommen.“ erklärt uns der Besitzer. „Am besten ihr fahrt nördlich um den See herum“. Ein Umweg von 600 Kilometern. Egal! Wir probieren es. Bis hier hin hat es ja auch geklappt. Als wir in Puno, der Hauptstadt der Region Titicacasee und mittlerweile auch der Blockaden, tanken und die Reservekanister auffüllen, erklärt uns der Tankwart: „Seit gestern ist es hier ruhig. Bis zum 4. Januar pausieren die Streiks. Ihr kommt problemlos an die Grenze.“ Dafür könnten wir den Mann einfach nur umarmen. Und tatsächlich. Wir passieren frisch beseitigte Straßensperren. Viele sind es. Bestimmt 50 Blockaden liegen zwischen den 100 Kilometer von Puno und der bolivianischen Grenze. Für uns sind alle offen. Sogar über die Grenze kommen wir super schnell rüber, der bolivianische Grenzbeamte verschiebt sogar seine Mittagspause, dass wir noch schnell rüberkommen. Was haben wir für ein Glück! Alles hat sich zum Guten gewendet. Ob das im neuen Jahr auch so weitergeht…?

Unsere Reiseroute

Reiseliteratur

Mathias Verfasst von:

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