Der Kompass zeigt nun für uns eine ganze Weile in Richtung Westen. Bis das nächste Mal eine Begleitung mit uns mitfahren wird, werden knapp vier Wochen ins Land gehen. Bis dahin möchten wir es nicht nur nach Los Angeles schaffen, sondern einige der schönsten Nationalparks der USA besuchen. Davon gibt es allerdings so viele, dass man sich entscheiden muss: Möchte man möglichst viele sehen, muss man auch viel Auto fahren. Und da noch einige Tausend Kilometer Strecke auf dem Weg nach Feuerland vor uns liegen, entscheiden wir uns für den goldenen Mittelweg. Viele Nationalparks besuchen, aber nicht alle. Und damit werfen wir unseren anfänglichen Reiseplan glatt etwas über den Haufen. Wir werden nicht nochmal Richtung Kanda fahren. Zudem haben uns Don und Celine aus Chicago den Tipp gegeben, den Badlands Nationalpark und den Custer Statepark auf die Strecke zu setzen. Der kurze Blick ins Internet gibt den beiden recht. Trotzdem ist das Land einfach mal so gigantisch groß, dass wir 1300 Kilometer in drei Tagen fahren müssen um zu den Badlands zu gelangen. Dazwischen lag sehr viel flaches Farmland, dass keineswegs langweilig war. Denn allzu oft fühlten wir uns in einen amerikanischen Spielfilm versetzt. Dazu hatte die Natur einige Leckerbissen für uns parat: Eine totale Mondfinsternis konnten wir bequem vom Campingplatz aus beobachten und beim nächsten Stellplatz zog in sicherer Entfernung ein Gewitter an uns vorbei, das so heftig war, dass wir die Blitze schon gar nicht mehr zählen konnten.
Da uns die vielen Autobahnkilometer so langsam mürbe machten, wichen wir so oft es ging auf kleinere Straßen aus. Kurz vor den Badlands gelangten wir so in ein Gebiet, das dem Nationalpark in nichts nachstand. Nur dass wir die unglaubliche Natur ganz für uns allein hatten. Das machte Lust auf mehr. In den Badlands bekamen wir zudem auf Wanderungen und zahlreichen Fahrten durch den Park einige Tiere zu Gesicht. Eine riesige Schlange schlich nur wenige Meter vor uns über den Wanderweg, Bisons zogen entspannt durch die Prärie und Gazellen ließen sich kaum durch uns beeindrucken. Wir hielten Ausschau nach den Präriehunden, von denen es hier einige geben sollte. Doch von Hunden keine Spur. Dafür unzählige kleine Hamstertiere, die eilig über die Straße sprangen und sich vor Greifvögeln in Sicherheit brachten. Erst etwas später haben wir erfahren, dass es sich bei den Hamstertierchen um Präriehunde handelt.
Unweit von den Badlands entfernt fuhren wir in den Custer Statepark ein. Anfangs waren wir etwas enttäuscht, da wir auf dem schon meilenweit angepriesenen „Wildlife-Loop“ kein einziges Tier sahen. Dafür hatten wir einen herrlichen Blick auf den Mount Rushmore und eine geniale Wanderung durch wunderschöne Natur, bei der wir den höchsten Punkt zwischen Rocky Mountains und Pyrenäen bestiegen. Allerdings gab es bei der Wanderung einen Wetterumschwung. Sind wir noch bei 10 Grad und Sonnenschein gestartet, kamen wir bei Schneefall und 1,5 Grad unter Null zurück. Da es in den USA kaum Winterdiesel gibt (fast alle Autos fahren mit Benzin) und wir uns schon auf 1500 Meter Höhe befanden, sprang daraufhin der Pajero nur sehr schwer an. Einen Umstand, der uns noch einige Tage zu schaffen machen sollte.
Da wir auf Winterwetter mal so gar keine Lust hatten, war es mal wieder an der Zeit den Plan zu ändern. Phia fand prompt ein kleines putziges Motel, dass schlappe 200 Kilometer weiter entfernt lag und laut Wetterkarten sich außerhalb des Schneegebiets befand. Bis dahin fuhren wir durch dichtes Schneetreiben und kamen auch im dichten Schneetreiben abends an. Das hatte ja nicht so ganz geklappt. Dafür empfing uns die kleine Provinzsstadt Lusk mit zwei stilechten kleinen Saloons, in denen wir Burger aßen, die Jukebox fütterten, Billard spielten und mit Einheimischen in Kontakt kamen, die uns Würfelspiele beibrachten und trotz geringem Einkommen uns noch 50 Dollar für die Benzinkasse zustecken wollten, was wir aber dann doch freundlich ablehnten. Auf ein Bier ließen wir uns aber gern einladen.
Unser erstes großes Etappenziel, der Yellowstone Nationalpark, kam immer näher. Aber noch immer lagen 1000 Kilometer vor uns. Da das Wetter noch winterlich war, legten wir einen Zwischenstopp in Thermopolis ein, einem Ort mit vielen heißen Quellen. Und was gibt es besseres, als an einem Wintertag Ende Mai in 40 Grad warmen Wasser zu planschen. Herrlich!
Dann kamen wir endlich in den Rocky Mountains an. Mit dem Grand Teton liegt ein Nationalpark kurz vor dem Yellowstone, der von vielen links liegen gelassen wird. Und das völlig zu Unrecht. Majestätisch thront die Bergkette „Grand Tetons“ (was nichts anderes heißt als große Brüste) vor den Wäldern des Nationalparks. Trotzdem war im Gegensatz zu den Badlands hier einiges an Besucherandrang los. Ein kleiner Vorgeschmack, was uns im Yellowstone erwarten würde. Doch hier lernten wir eine erste Lektion der amerikanischen Nationalparks: Mag auf den Straßen viel los sein, wandert man nur wenige Minuten auf einem der zahlreichen Wanderwege drauf los, ist man schnell ganz allein. Und so sahen wir auch auf einer Wanderung drei Elche, die keine drei Meter von uns entfernt auf Nahrungssuche waren. Allerdings waren wir nicht ganz entspannt unterwegs, da es hier auch Grizzlybären geben sollte und wir gefühlt die einzigen Wandersleute waren, die ohne Bärenabwehrspray auf Wanderschaft gingen. Vielleicht war es aber auch ein besonderer Marketingtrick der Besucherzentren, so vor Bären zu warnen, denn so ein Bärenspray kam gleich mal 50 Euro. Wir redeten leuter als sonst und versuchten allgemein durch Geräusche den Bären auf uns aufmerksam zu machen, sodass er das Weite suchte und uns keinen Besuch abstattete. Wir hatten Glück. Die nächste Lektion die wir hier in den Nationalpark lernten betrifft die Campingplätze. Diese sind oft Wochen und Monate im Voraus ausgebucht und völlig überteuert. Mit etwas Glück ergatterten wir eine Parzelle für den gleichen Tag auf einem Campingplatz im Nationalpark, die uns für eine Nacht 50 Dollar kostete. Keine Duschen, dreckige Toiletten, keine schönen Ausblicke. Doch um fast jeden Nationalpark herum gibt es öffentliches Land (National Forest oder Grasland), wo man ganz legal und kostenlos campieren kann. Das nennt sich „Dispersed Camping“ und ist oft um einiges schöner als der Campingplatz im Park: Man hat eine gute Aussicht, ist allein und es ist vollkommen kostenlos. Ist man also, so wie wir, autark unterwegs, sind das die perfekten Stellplätze. Wir waren begeistert (bis auf den abendlichen Hagel, den nächtlichen Schneefall und dem morgendlichen Pajero-Stottern beim Anspringen, weil es viel zu kalt war). Aber dazu kann ja der Stellplatz nichts.
Bevor wir uns nun auf die letzten Kilometer zum Yellowstone machten, besuchten wir noch eine Craftbeer-Brauerei in einer anliegenden Kleinstadt. Die Braumeisterin zeigte uns ausführlich ihre Brauerei mit anschließendem Restaurant und war von unserer Story so begeistert, dass sie uns gleich eine Palette Bier á 24 Dosen, sowie zwei Spezialbiere mit auf den Weg gab. Vielleicht sollten wir das öfters probieren. Beseelt von dem vielen neuen Reiseproviant bekamen wir sogar einen Grizzlybären von der Straße aus zu Gesicht, als wir wieder durch den Nationalpark fuhren. So, aus sicherer Entfernung, ist das schon ein tolles Erlebnis.
Dann war es endlich soweit. Wir befuhren den weltberühmten Yellowstone Nationalpark. Und wir waren gleich etwas enttäuscht. Ein Großteil des Parks lag noch unter einer dichten Schneedecke, aber das kann durchaus auch Ende Juli so sein. Und nichtsmal das Visitor Center hatte auf. Dafür war der Park (und das schon so früh in der Saison) total überlaufen. Um die heißen Quellen und Geysire zu besuchen, mussten wir uns um Parkplätze schlagen und durch Besuchermaßen schlängeln. Da mag die Natur noch so einzigartig sein, etwas Geschmäckle hat das schon und so richtig wohl fühlten wir uns bei den Menschenmassen nicht. Müde von den langen Fahrtstrecken war dann das Highlight des Nationalparktages der schöne Stellplatz, der sich mal wieder außerhalb des Parks befand. Dort waren wir ganz für uns allein, aber auch im Grizzly-Gebiet. Also ließen wir den Abend über wieder Musik laufen. Einen Bären bekamen wir zwar nicht zu Gesicht, dafür trat Phia am nächsten Morgen in Bärenkacke. Ein gutes Omen für die nächsten Tage? Wir sollten es noch herausfinden. Glück hatten wir auf jeden Fall mit dem Zeitpunkt unseres Nationalpark-Besuchs, denn keine vier Wochen später kam es durch einen Wetterumschwung zu einer massiven Schneeschmelze, begleitet von tagelangem Dauerregen. Die sich zu Tale drängenden Wassermassen rissen Straßen und Brücken mit sich. Viele Touristen waren eingeschlossen. Von Norden aus wird man wohl für viele Jahre den Nationalpark nicht mehr ansteuern können…
Weiter geht es nun in Richtung Pazifikküste. Was wir bis dahin alles erleben werden, erfahrt ihr im nächsten Beitrag.
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