Das Schicksal Pakistans

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Es gibt Tage, dann entscheidet sich ein Schicksal eines ganzen Landes. Als am 11. September 2001 zwei Flugzeuge in die Twin Towers des World Trade Centers flogen, brachten sie die Türme und eine ganze Landesregion zum Einsturz. Die Taliban wurden als Drahtzieher des Terrorakts bekannt. Die Folge war ein blutiger Krieg in Afghanistan und weltweiter Terror. Neben Afghanistan wurde Pakistan besonders schwer getroffen. Die Zeiten änderten sich.

Pakistan ist ein junger Staat. Nachdem Großbritannien seine Kolonie Britisch Indien aufgeben hatte, kam das nun unabhängige Indien nicht zur Ruhe. Es kam zu ständigen Auseinandersetzungen und Scharmützeln der hinduistischen Kongresspartei und der Muslimliga. Letztere forderte die Gründung eines eigenen Staates für indische Muslime. Gandhi kämpfte schwer in seinen eigenen Reihen für die Erhaltung eines Indiens für Hindus und Muslime doch die Fronten waren bereits zu sehr abgehärtet. Eine Spaltung war unabwendbar. Am 14. August 1947 entstand dann der Stadt Pakistan, der Indien zu seiner West und Ostseite flankierte. Die Teilung  des Landes und der Völker fand überhastet statt, die Grenzziehung war zuweilen unüberlegt. Plötzlich waren Hindus in ihrem eigenen Land nicht mehr willkommen, gleiches galt für Muslime. Eine gewaltige Massenwanderung setzte ein. Muslime aus Indien wanderten in den neuen Staat Pakistan aus. Hindus aus den Pakistanischen Landesteilen zogen nach Indien. Die Völkerwanderung wurde durch blutige Auseinandersetzungen begleitet. Ganze Züge wurden auf dem Weg in die neue Heimat angehalten und alle Insassen bis auf den Zugführer abgeschlachtet. Dieser sollte die Leichen noch in den nächsten Bahnhof fahren. Der Konflikt dieser Zeit zieht sich noch bis heute hin. Bangladesch koppelte sich von Pakistan ab. Pakistan und Indien sind Totfeinde.

Unterdessen setzte in Pakistan ein enormes Bevölkerungswachstum ein. 1969 lebten 46 Millionen Menschen in der neu entstandenen islamischen Republik. 35 Jahre später waren es schon 148 Millionen.  Der Streit und das Wettrüsten mit Indien forderten enorme Ausgaben im militärischen Sektor. Nur ein sehr geringer Teil des BIP wurde in die Bildung investiert. Eine landesweite Schul- oder Bildungspflicht gibt es bis heute nicht. Seit 1980 sprossen Islamschulen im gesamten Land aus dem Boden wie Pilze im Herbst. Die sogenannten Madrasas  wurden oft durch Saudi Arabien finanziert und boten einer breiten Bevölkerungsschicht mitunter den einzigen Zugang zur Bildung. Die Islamschulen unterlagen keinerlei politischer Kontrolle, die Gestaltung des Lehrplans oblag dem Willen des Stifters. Und so wurden neben den für Madrasas typische islamische Rechtwissenschaften und Koranexegese auch radikale Weltanschauungen gelehrt. Absolventen pakistanischer Madrasas werden Talib genannt, abgeleitet vom persischen Begriff für Schüler. Einige Absolventen nordpakistanischer Islamschulen waren bei der Errichtung des afghanischen Taliban-Regimes beteiligt und spielten eine Rolle bei der Entwicklung des Islamischen Terrorismus.

Das Problem der Madrasas wurde nach den Anschlägen des 11. September in der Weltöffentlichkeit bekannt, als das US-Regime Druck auf die pakistanische Regierung ausübte und eine Teilschuld an den Terroranschlägen mitgab. Im Zuge des Afghanistankrieges zogen sich viele Taliban-Kämpfer weit über die Grenzregion nach Pakistan zurück. Für ganz Pakistan wurde Reisewarnungen ausgegeben. Der Tourismus kam zum Stillstand. Pakistan, ein von Wanderern und Bergsteigern aus der ganzen Welt vielbereistes Land war nun eine Krisenzone. Als im Juni 2013 zehn Bergsteiger am Nanga Parbat von der Taliban getötet werden, wurde auch der sonst so friedliche äußerste Nordosten von Touristen gemieden.

Als ich meine Reise nach Indien plante, überlegte ich auch durch Pakistan zu fahren. Viele Freunde sahen das sehr kritisch. Ich recherchierte im Internet. Nachrichtenseiten und Auswärtiges Amt rieten von der Reise nach Pakistan ab. Reisende, die in den letzten Jahren das Land besuchten, berichteten ausnahmslos positiv über dieses Land. Ich saß in der Zwickmühle. Was sollte ich tun. Ich entschied mich das Land zu meiden. Nachdem ich mein Ziel Indien auf dem Landweg über den kleinen Umweg Laos und Thailand nun erreicht hatte, entschied ich mich auch zurück zu fahren und nicht wie Anfangs überlegt das Auto zurück zu verschiffen. Somit stand fest: Ich werde durch Pakistan fahren. Allerdings entschied ich mich durch den Norden zu fahren, die Reisewarnung für Belutschistan, der südlichen Region von Pakistan schüchterte mich zu sehr ein.

Mit gemischten Gefühlen fuhr ich nun mit Tina, meiner Reisebegleitung aus Dresden, über die Indisch-Pakistanische Grenze. Ich freute mich riesig in dieses Land zu fahren, über das ich schon so viel gelesen hatte. Aber hatte ich auch etwas Angst. Etwas musste ja an den Warnungen dran sein. In den ersten Stunden in Pakistan waren alle Menschen die uns begegnet sind ausnahmslos unglaublich freundlich und empfingen uns ausgesprochen herzlich. Sie freuten offensichtlich sich über jeden Touristen, der wieder nach Pakistan kommt.

Auf gehts nach Pakistan. Mit am Board: Tina aus Dresden! (c) Bert aus Schweden (www.dreamtrip.se)

Nach Indien fiel mir zunächst der angenehme Verkehr auf. Jeder der schon einmal in Pakistan war muss mich für diese Aussage für verrückt halten. Doch es geht in Pakistan um einiges gesitteter auf den Straßen zu als im Nachbarland Indien. Die Millionenstadt Lahore tangierten wir nur kurz. Von Chaos hatte ich nach Indien zunächst genug. Beim Besuch des Lahore-Forts und der Badshani-Moschee spürten wir schon die enormen Sicherheitsvorkehrungen zum Schutz vor extremistischen Anschlägen. Die Anlage war vom Militär geschützt. Mit einem Spiegel schauten die Uniformierten unter meinem Auto nach, ob dort ein Sprengsatz versteckt sei. Sie entdeckten nichts und wünschten uns ein „Welcome in Pakistan“.

Die Badshani Moschee in Lahore
Vor der Moschee in Lahore müsste mal aufgeräumt werden 😀

Das neu entstandene Pakistan brauchte auch eine schicke Hauptstadt. Diese wurde am Reißbrett entworfen und trug den bezeichnenden Titel „Islamabad“. 1960 erfolgte der erste Spatenstich, 1966 wurde Karachi als Hauptstadt Pakistans abgelöst. Bei einem kleinen Spaziergang und der späteren Fahrt durch die Stadt merkten wir schnell, dass Islamabad geplant wurde. Es sind Viertel angelegt worden, die feste Wohnbereiche, Geschäftsstraßen und Gastronomie-Ecken haben. Diese Viertel sind dann mit großen, schachbrettartigen Straßen verbunden. Sein Viertel muss der Einwohner Islamabads nicht wirklich verlassen, denn alles was gebraucht wird, gibt es im Viertel. Und muss man doch mal aus der Stadt, so geht dies meistens staufrei. Begrenzt wird die Stadt durch eine Bergkette im Westen und mit Ausläufern der Millionenstadt Rawalpindi, deren Smog in den Morgenstunden auch über Islamabad liegt.

Grünes wohnen in Islamabad
Die Faisal Moschee in Islamabad. Ruhig am Standrand gelegen und futuristische Architektur

Am meisten hatten wir uns in Pakistan auf die Berge gefreut und so ging es recht bald schon in Richtung Norden in das Gebirge. Und nur wenige Kilometer nach der Hauptstadt stieg die Hauptstraße an und führte uns in eine wunderschöne Landschaft. In Islamabad ließ ich noch meine Bremsbeläge austauschen, vor so einem langen Ritt durch die Berge ist das schon ratsam. Daher sind wir erst spät gestartet und steuerten das Dorf Ayubia an, das nur 100 Kilometer von Islamabad entfernt lag. Zum zweiten und letzten Mal nahmen wir uns in Pakistan ein Hotelzimmer. Hotels in Pakistan sind verhältnismäßig teuer, wenn ich bedenke was wir dafür bekommen haben. Dusche mit kalten Wasser, dreckige Bäder, ständige Stromausfälle, kein Internet. Dafür bezahle ich ungern 30€ die Nacht und lebe lieber im Auto. Bei einem Spaziergang lernten wir einen Alten kennen, der uns sein Dorf zeigte. Der Großteil des Dorfes stand leer. Viele Häuser waren Sommerresidenzen der Städter und erst so langsam kam der Frühling in Schwung. Ein richtiges Prunkstück lag am Dorfrand hinter einem Wald am Abhang verborgen. Eine gut erhaltene steinerne Kirche aus dem 18. Jahrhundert. Eine Familie wohnte nebenan, die das Grundstück und das Gebäude pflegte. Im Sommer kommen oft christliche Jugendgruppen hierher. Eine Kirche hätten wir hier als letztes vermutet. Der Mann der Familie schloss uns das Gotteshaus auf und lud uns später zu seiner Familien zum Tee ein. Von Religionsfanatismus keine Spur. Stattdessen ein warmer und herzlicher Empfang in Pakistan.

Eine Kirche in Pakistan
Ein Moslem in der Kirche
Die Familie, die auf die Kirche aufpasst

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Reiseliteratur

Mathias Verfasst von:

4 Kommentare

  1. Gayatri
    17. Juli 2017
    Antworten

    Lieber Mathias,
    Dank für Deinen Mut, diese Länder zu bereisen!
    In Indien bin ich Motorrad gefahren. Nachdem ich mich an das Chaos gewöhnt hatte, fand ich´s lustig. Aber ohne Mantra geht natürlich nichts…

    Ich suche noch Reisepartner, will mit meinem VW Polo Kombi Richtung Indien.
    Darf ich hier Irene einladen?

    Hey Irene, wahrscheinlich brauchen wir noch einen Mann, um in Pakistan klarzukommen!
    Mitte Oktober bin ich mit meinen Terminen hier durch…

    Türkei, Iran und Pakistan werdn neu für mich sein, ich bin dankbar für jede hilfreiche Info:
    gayatri@gmx.de

    • 7. September 2017
      Antworten

      Hallo,

      steht die Reiseplanung denn nun schon? 😮 Mein Partner und ich planen auch über den Landweg nach Südostasien (vorerst wahrscheinlich aber Indien) zu reisen.

      Liebste Grüße Lu ♥

  2. Irene
    18. Juni 2017
    Antworten

    Was für ein unglaublich schöner und eindrucksvoller Trip und fantastische Bilder & Videos. Lässt mein Herz höher schlagen und mein Wunsch, nach Pakistan zu reisen, wird immer dringender. Hab das schon lange im Hinterkopf, aber da Mitreisende zu finden, die sich trauen, war bisher unmöglich.
    Danke dir für deinen wunderschönen Bericht!

  3. 9. Mai 2017
    Antworten

    Oh man, Pakistan! Tolles Land, schreckliches Image.
    Deine Bilder sind großartig. Wenn wir das nächste Mal in Pakistan sind, dann vielleicht auch mit dem eigenen Auto und nicht nur mit den Autos der anderen 😀
    Die lästige Polizeieskorte hat sich bis dahin hoffentlich erledigt.

    Bezüglich der Madrasas lohnt es sich auch den Zusammenhang zwischen der Radikalisierung pakistanischer Schüler und der „Hilfsorganisation“ USAID zu hinterfragen. Spannend ist das allemal und mit dem Kopf schütteln kann man auch.

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