Durch das wilde Rajasthan nach Nordindien

Auch der zweite Tipp des alten Mannes war ausgezeichnet. Zuerst dachte ich mir „Hmm schon wieder ein Tempel? Sollte ich wirklich hier anhalten?“ Der Jain-Tempel von Ranakpur lag auf dem Weg und der alte Mann gab mir den Rat dort auch zu Essen, da es sehr günstig wäre. Und in der Tat, im Schneidersitz auf dem Boden in einer Reihe von zwanzig Indern sitzend gab es für 70 cent ein leckeres leicht bekömmliches Mittagsmahl. Danach war ich trotzdem träge und überlegte tatsächlich die 5 Euro Eintritt für den Tempel zu zahlen. Doch ich war nun schon mal hier, also los. Und mal wieder kam ich aus dem Staunen nicht heraus. Der gesamte Tempel war aus Marmor gefertigt und Säulen, Wände, Decken und Podeste waren gesäumt von unzähligen Figuren, Tier- und Pflanzendarstellungen. Eine Meisterleistung der Steinmetzkunst!

Die meisterhaften Steinmetzarbeiten am Marmor im Tempel von Ranakpur
Die meisterhaften Steinmetzarbeiten am Marmor im Tempel von Ranakpur

Jodhpur. Die blaue Stadt. Für mich war es erstmal die Stadt der engen Straßen durch die ich meinen Pajero manövrierte, um zu meiner Unterkunft zu gelangen. Einige male mussten hilfsbereite Passanten im Weg stehende Mopeds zur Seite räumen. Wie ein Stöpsel verstopfte ich die Straßen. Ungeduldige Mopedfahrer stupsten meine Stoßstange an, um mich durch die Straßen zu schieben. Entgegenkommende Mopedfahrer riefen mir zu „Diese Straße ist nicht für Autos!“ Doch es musste gehen und mit Millimeterarbeit schaffte ich es auf dem Hof meiner Unterkunft wo mich Gasthausbesitzer mit seinen hässlichen, ständig bellenden Hunden schon erwartete. Auch in Jodhpur war es unerträglich heiß. Sämtliche Aktivitäten wurden auf die Morgen- und Abendstunden verlegt. Wobei sich ein Spaziergang am frühen Abend durch die Stadt schnell in ein waghalsiges Unterfangen entwickelte. In einem Affenzahn brausten Jugendliche auf ihrem Motorrad durch die viel zu schmalen Gassen mit der Hupe im Dauereinsatz. Ständig musste ich auf der Hut sein und einige male konnte ich mich nur mit einem beherzten Sprung zur Seite vom sofortigen Umfalltod durch einem Kamikaze-Inder retten. Auf den größeren Straßen kam es regelmäßig zu Verstopfungen und einem Hupkonzert, das Mozart nicht besser komponieren hätte können. Um meine Nerven zu beruhigen lockte mich der Zuckerrohrsaftverkäufer in seinen Laden und tatsächlich tat der süße Saft seine Wirkung.

Jodhpur wacht langsam auf
Ich mag es wie die Inder die Verkehrsregeln befolgen
Auch die Hunde brauchen eine Siesta

Das Jodhpur auch die blaue Stadt genannt wird, konnte ich am besten vom gewaltigen Meherangarh Fort sehen. Angeblich sollte die blaue Farbe die Moskitos fernhalten. Andere sagen, dass die blaue Farbe die Zugehörigkeit zur Brahmanen-Kaste bedeutete und mein Gasthausbesitzer meinte, dass es das Haus kühler und die Hitze draußen behält. Was auch immer wahr sein sollte, der Farbverkäufer der sich auf blaue Farbe spezialisiert hatte, muss sich am meisten gefreut haben oder ein besonders gewiefter Verkäufer gewesen sein, der passende Verkaufsargumente für die gute blaue Farbe unter das blauäugige Volk gemischt hatte.

Kontraste in der blauen Stadt
Blick auf die Blaue Stadt

Seit zweihundert Jahren läuft ein Mann mit einem Sack voll Fleisch auf das Meherangarh Fort hinauf. Hunderte Greifvögel erwarten seine Ankunft. Majestätisch stellt er sich dann auf die Festungsmauer und wirft die Fleischstücken in die Luft. Die Greifvögel stürzen sich hinab und noch bevor das Fleisch den Boden berührt, landet es in den Krallen der hungrigen Vögel. Auch heute geht ein Mann, derselben Familie angehörig, jeden Tag diesen Weg seiner Väter. Als ich schon die Festung verlassen hatte sah ich ihn hoch oben die Vögel füttern. Er bemerkte mein mit der Kamera bekundetes Interesse und winkte mich hoch. Diese Chance wollte ich nutzen, ich rannte unter dem Vorwand etwas vergessen zu haben an den Wachsoldaten vorbei und oben angekommen lief ich in einen für Besucher verbotenen Bereich. Ein Mann rief mich noch zurück doch ich ignorierte ihn. Ich sprang über einen Zaun und war kurze Zeit später neben dem Vogelliebhaber und sah ihm, in einem kleinen Vorsprung sitzend zu, wie er die Vögel fütterte.

Ein Streifenhörnchen labt sich am süßen Saft
Das Meherangarh Fort
Die blaue Stadt vom Meherangarh Fort aus
Die Greifvögel beim Festessen

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Reiseliteratur

Mathias Verfasst von:

3 Kommentare

  1. 19. Oktober 2017
    Antworten

    Hallo nochmal
    Wie gesagt, ich möchte seid zwei Jahren mit dem eig. Kfz nach Asien/ Indien fahren.
    aber bis jetzt habe ich mich noch nicht so richtig getraut…
    Ich war jetzt mit meiner Freundin seid 03/2015 im Auto unterwegs von Marokko bis Istanbul.
    Nun sind wir getrennt und ich möchte alleine bzw. mit Hund nach Asien kommen.
    Braucht man zwingend ein Allrad Kfz?
    Wieviel Geld hat dich der Diesel gekostet bis Indien?
    Wo bist du momentan unterwegs?
    Wie hast du Reisebegleitschaft gefunden?
    über antwort würde ich mich risig freuen…
    Timo
    mrbrown1@web.de
    woandersalsgestern

    • Mathias
      21. Oktober 2017
      Antworten

      Hallo Timo! Also erstmal Glückwunsch zu dein Vorhaben! Also zwingend brauchst du eigentlich kein Allrad, kommst auch mit einem normalen Auto bis Indien. Allrad macht wesentlich mehr Spaß, sobald du in Bergregionen oder Wüsten bist und mal etwas die Umgebung neben der Strecke kennenlernen willst! Hund kann an bestimmten Grenzen vielleicht schwierig werden, aber solang du alle Dokumente und Impfungen hast, sollte es gehen. In Indien gibt es aber sehr viele Straßenhunde die schon die Menschen und noch weniger andere Hunde leiden können. Also das solltest du überdenken. Wie viel Diesel du brauchst, hängt von der Strecke ab. Ich habe 28.000 KM bis Indien gebraucht und hab dabei knapp 2400 Liter verbraucht. Im Durchschnitt kostet der Liter Diesel 75cent, wobei er im Iran 19 Cent und in der Türkei 1,40 Euro kostet. Die kürzeste Strecke sind 10.000 KM, dabei geht es durch Iran und den Süden Pakistans. Insgesamt bin ich knapp 56.000 KM gefahren und bin auf den Rückweg durch Pakistan durch. Meine Reisebegleitschaft waren allesamt Freunde, den ich von der Reise erzählt habe und eine Etappenweise Mitfahrt schmackhaft gemacht habe 🙂 Das hat ziemlich gut geklappt! Ich schick dir mal eine Mail, wenn du Fragen hast kann ich dir gern helfen!

      Viel Spaß beim planen! Mathias

  2. Mathias
    5. Oktober 2017
    Antworten

    Hallo Namensfetter, ich bin zwar schon 60 Jahre alt aber du lebst meinen heimlichen Traum, Respekt und Glückwunsch vor so viel Mut.
    Wünsch dir alles Gute für deine weiteren Vorhaben

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