Entlang der Seidenstraße und Kontrollstaaten

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Für den nächsten Abschnitt meiner Reise nach Indien habe ich mir gleich ordentlich Verstärkung geholt und das Auto gefüllt. Mein Bruder Stefan und seine Freunde Dirk und Stephan (auch genannt Chef) sollten mich nun für die nächsten drei Wochen begleiten. Der Abschnitt sollte einiges Versprechen. Auf dem Weg von Iran nach Kirgistan sollten noch Turkmenistan, Usbekistan und Tadschikistan durchquert werden. Schon in der Vorbereitung hat es einiges abverlangt, denn bis auf Kirgistan benötigt man für jedes Land ein Visum. Und das kostet natürlich auch: Iran 145€, Turkmenistan 60€, Usbekistan 60€, Tadschikistan 50€. Dazu kommt noch, dass wir genau die Zeit angeben mussten, wann wir planen einzureisen. So hatten wir von Anfang an Druck, den Zeitplan einzuhalten.

Der Begriff „Seidenstraße“ wurde 1877 durch den deutschen Geologen Ferdinand Freiherr von Richthofen geprägt und ist leicht irreführend. Zum einem handelt es sich nicht um eine Straße, sondern ein Straßennetz von über 10.000km. Es waren auch nicht Straßen, sondern eher Trampelpfade auf denen sich die Handelskarawanen fortbewegten. Zum anderen wurde nicht nur Seide transportiert, sondern auch Gewürze und Edelsteine. Der Weg war nicht ungefährlich, da einige Herrschaftsgebiete durchquert werden mussten. Der Ausgangspunkt der Seidenstraße war China, wo die kostbare Seide produziert wurde. Zu Zeiten Cäsars war Siede mehr wert als Gold. Die Südlich Seidenstraße ging durch das Pamirgebirge, den sagenumwobenen Städten Samarkand und Buchara, über Merv nach Bagdad. Endpunkt der Reise war Palmyra in Syrien. Von hier aus wurden die Waren umgeschlagen und verschifft. Für die Hin- und Rückreise auf der Seidenstraße musste man damals sechs bis acht Jahre! einplanen. Als 420 nach Christus eine chinesische Königin eine Seidenraupe bei einer Hochzeit aus dem Reich der Mitte schmuggelte, bedeute dies auch das Ende der Seidenstraße.

Wir hatten für den Abschnitt der Seidenstraße nicht ganz so viel Zeit wie die damaligen Karawanen. Zudem sind die Straßen auch besser ausgebaut – so haben wir gedacht. In Masschad begann unsere Reise. Zunächst haben wir noch ein letztes Mal die iranische Kultur bestaunt und das Mausoleum des Iman Reza besucht, eines der größten schiitischen Pilgerstädten. Zwischen tausenden pilgernden Moslems waren vier deutsche Ungläubige. Ein seltsames Gefühl.

Shrine Iman Reza
Schrein Iman Reza

Wir verließen am selben Tag die Stadt und stießen noch vor der Iranischen Grenze auf erste Zeichen der Seidenstraße – eine Karawanserei. Für ein Eintrag ins Gästebuch öffnete ein freundlicher alter Mann das Tor zur Umzäunten Karawanserei, die zum Teil restauriert wurden war. Wir staunten über das Bauwerk und stellten uns vor, wie es wohl vor 2000 Jahren gewesen sein muss, als Karawanen nach einen tagelangen Marsch durch die Wüste an diesem Ort angekommen sind.

We in front of the Caravanserai
Wir vor der Karawanserei

Am nächsten Tag mussten wir gleich Geduld beweisen. Wir reisten nach Turkmenistan. Der inzwischen verstorbene turkmenische Präsident Saparmyrat Nyýazow führte das Land mit Hilfe des Militärs rigoros. Er lies sich auf Lebenszeit zum Präsidenten küren und nannte sich selbst Türkmenbaşy („Führer der Turkmenen“). Unter seiner Herrschaft wurden 15.000 Krankenhausangestellte entlassen und in den Wehrdienst berufen. Er etablierte einen Personenkult um sich und im ganzen Land sind noch Statuen von ihm zu sehen. Schließlich wurde eines vom Präsidenten verfasstes Buch (Ruhnama) zur Pflichtlektüre für das Volk. Ausländische Investoren mussten zunächst dieses Buch in Ihre Landessprache übersetzen lassen, bevor sie sich in Turkmenistan niederlassen konnten.

Die Macht des Staates bemerkten wir gleich an der Grenze. Ausführlich wurden wir kontrolliert. Zwischendurch gab es eine Stunde Unterbrechung – Mittagspause. Für die Einfuhr des Autos und vier Personen mussten wir 150 USD zahlen. Unzählige Zettel wurden ausgestellt, abgestempelt und wieder eingesammelt. Das Auto wurde untersucht und die Jungs mussten die Bilder auf ihren Smartphones zeigen. Und immer wieder zwischendurch die Pässe einen anderen Beamten zeigen. Insgesamt verbrachten wir 4,5 Stunden an der Iranisch-Turkmenischen Grenze.

Boerder Iran - Turkmenistan
Grenze Iran – Turkmenistan

Unmittelbar nach der Grenze fragten wir uns, für was wohl die verlangte Straßensteuer gut war. Die Straße war in einem miserablen Zustand. Nach 20 Kilometern wurden wir das erste Mal von der Polizei angehalten. Eines der ausgehändigten Dokumente beinhalte eine Karte, auf der unsere geplante Route eingezeichnet war. An diese mussten wir uns auch zwangsläufig halten. Abweichungen wären wohl mit Geldstrafen geahndet worden. In Turkmenistan wurden wir noch elf weitere Male angehalten, obwohl wir nur 24 Stunden im Land waren. Immer wieder die gleiche Prozedur: Hand geben, Where are you from? Ahhh Germani! Map! Map! Goodbye. Es nervte irgendwann. In der Nähe der Ruinen der Seidenstraßenstadt Merv übernachteten wir und nach drei Wochen gab es für mich auch mal wieder ein Bier! Das tat gut!

Truck passing by at night
Truck zum Sonnenuntergang

Wir wunderten uns, dass es in dieser Wüstenlandschaft teilweise so grün und die Vegetation so üppig war. Doch auch Turkmenistan hat einen Anteil daran, dass der Aralsee austrocknet. Von einem der Zuflüsse (beziehungsweise ehemaligen Zuflüsse, den der Fluss versickert irgendwann in der Wüste) wird der Karakorum-Kanal abgezweigt, der ganze Landstriche in Obstgärten verwandelt. Dazwischen liegt allerding dann doch noch unendlich viel Wüste.

Market in Turkmenistan
Markt in Turkmenistan
Market in Turkmenistan
Markt in Turkmenistan
Breakfast at the street
Frühstück am Straßenrand

Der Plan war eigentlich in Turkmenistan die drei Dieseltanks auf dem Dach vom Geländewagen mit Reservesprit zu tanken. Denn in Usbekistan ist kein Diesel freiverkäuflich erhältlich. Durch die Tankstellen rückten kein Diesel für Extrakanister raus. Wir hatten ein Problem. Doch zunächst mussten wir wieder mal eine Landesgrenze überqueren. Vor der Grenze zu Usbekistan  hatten sich schon auf einer Länge von 5 KM LKWs angestaut. Zudem war (natürlich bei unserem Glück) der usbekische Präsident Islom Karimov nach 25 Jahren im Amt kurz vor unserer Einreise und einen Tag nach den Feierlichkeiten der 25 Jahre Unabhängigkeit  überraschend verstorben (vielleicht zu viel gefeiert). Nun wussten wir nicht, ob wir einreisen konnten und was uns erwartet.

Auf der turkmenischen Seite lief es überraschend gut und schnell. Nach einer Stunde waren wir durch. Auf der usbekischen Seite dachten wir es geht schnell, allerdings verging nach ausführlichem Studium der Pässe, des Gepäcks und der Medizintaschen weitere zwei lange Stunden. Geschafft fuhren wir nach Buchara.

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Reiseliteratur

Mathias Verfasst von:

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